Der Mazda6 zeigt, dass die japanische Mittelklasse bei uns nicht aussterben muss.
Nissan Primera, Honda Accord und wohl bald auch der Toyota Avensis. Japanische Mittelklassebaureihen sterben in Europa langsam aus. Während die Kunden in der japanischen Heimat und dem großen US-Markt mit den aktuellen Baureihen der Hersteller gleichermaßen glücklich werden, hat man den im Verhältnis kleineren Absatzkanal Europa erst aus den Augen und dann ganz verloren.
Dass es anders gehen kann, zeigt Mazda. Der aktuelle Mazda6 wird auch bei uns nach wie vor angeboten und sogar verkauft. In Mengen, die ihn nicht als reines Mietwagenflottenmodell verkümmern lassen.
2013 kam die aktuelle, dritte Modellgeneration des Mazda6 auf den Markt, erstmals in nur noch zwei Karosserievarianten als Stufenhecklimousine und Kombi. Anfang 2015 gab es ein größeres Update mit neuem Cockpit und allerlei Assistenten, im Herbst 2016 kam eine weitere Modellpflege mit mehr Dämmmaterial, neuen Instrumenten und der Drehmomentverteilung namens G-Vectoring Control dazu.
Zum Alltagstest rollt der Mazda6 mal ganz gegen aktuelle Trends nur natürlich nicht als SUV, sondern noch nicht einmal als Kombi an. Als Limousine im satten Rubinrot schindet der Japaner mit den 19-Zöllern der Sports-Line-Ausstattung auf dem Parkplatz durchaus Eindruck, kein Wunder bei üppigen 4,87 Metern Fahrzeuglänge. Darin und auch im Radstand (2,83 Meter) ist das Stufenheckmodell übrigens sieben Zentimeter länger als der Mazda6 Kombi.
Im Innenraum schmeichelt weißes Leder dem Auge. Die Sitze können dem optischen Eindruck leider nicht ganz standhalten, sie wirken irgendwie dürr und sind im Schulterbereich schmal geschnitten. Zudem ist die Kopfstütze unangenehm hart.
Mal kurz hinten hineingeklettert stellt man dem Auto und sich selbst die Frage, wo denn die ganze Außenlänge geblieben ist. Der Knieraum ist vorhanden, aber knapp und lässt für den kürzeren Kombi nichts Gutes vermuten.
Die Sitzposition auf dem Fahrerplatz ist dafür ohne Fehl und Tadel. Der Mazda6 integriert seinen Piloten hervorragend, der zwar enge, aber nicht zu kleine Fußraum und das sehr gut in der Hand liegende Dreispeichenlenkrad sorgen vom Start weg für einen guten Kontakt zwischen Mensch und Maschine.
Das Cockpit erinnert in seinem Grundlayout wie die zu schmale Armauflage in der Fahrertür sehr stark an den aktuellen BMW 3er. Somit bietet auch der Japaner eine hervorragende Ergonomie. Der Monitor des Infotainmentsystems sitzt oben auf der Armaturentafel im direkten Blickfeld des Fahrers, über einen Dreh-/Drücksteller lassen sich alle Funktionen zielsicher bedienen. Im Stand hat das 7-Zoll-Display auch eine Touchscreenfunktion. Die Verarbeitung der Armaturentafel und auch die Materialien genügen hohen Ansprüchen
Halbherzig ist das Head-up Display. Nicht nur, weil es die Informationen auf ein Stück Plexiglas anstatt direkt auf die Windschutzscheibe spiegelt, die Informationen sind vor dem Hintergrund der Motorhaubenkante auch schlecht ablesbar.
Rechts neben dem Lenkrad prangt der Startknopf im Cockpit. Er lässt sich ziemlich gerne drücken und quittiert die Zuneigung mit einem Verwöhnprogramm.
Denn wieder einmal zeigt ein Mazda, dass sie ziemlich gute Dieselmotoren bauen können da in Hiroshima. Der Testwagen hat den stärksten Selbstzünder der Palette unter der Haube. 2,2 Liter Hubraum, verteilt auf vier Zylinder, erarbeiten maximal 129 kW / 175 PS und 420 Nm Drehmoment bei 2.000 Umdrehungen pro Minute.
Egal bei welcher Geschwindigkeit oder in welcher Übersetzung des Sechsgang-Schaltgetriebes (Sechsstufen-Automatik gegen Aufpreis) man den rechten Fuß senkt, der Selbstzünder ist stets hellwach und einsatzbereit. Dabei schüttet er die Leistung homogen aus, ist also zur Stelle ohne nervös zu sein.
Leider teilt er sein Arbeitsprinzip auch gerne mit, obwohl bei der letzten Modellpflege die Dämmung im Mazda6 verbessert wurde, dürfte hier gerne nochmal Hand angelegt werden. Dabei könnten sich die Tüftler auch gleich um die Windgeräusche um die B- und C-Säulen kümmern, die spätestens ab 120 km/h deutlich zunehmen und auf längeren Autobahnetappen auch mal nerven können.
Eine wahre Wohltat ist dafür die Lenkung. Als erster Mazda für die 6er-Baureihe mit dem markeneigenen G-Vectoring-Control vor. Hierbei handelt es sich um eine Fahrdynamikregelung, die bei Kurvenfahrten das Drehmoment an den Antriebsrädern anpasst, um per gezielter Lastverteilung mehr Spurtreue zu ermöglichen. Außerdem ist das System mit seinen 50 Millisekunden kurzen Regelintervallen auch bei der Geradeausfahrt auf unebenen Straßen aktiv.
Da durch Spurrillen und LKW-Fahrrinnen eigentlich jede deutsche Autobahn zur Kategorie unebener Straßen gehört, sorgt Mazdas G-Vectoring-Control auch auf langen Strecken für Entspannung. Die oftmals unbemerkten kleinen Gegenlenkimpulse des Fahrers entfallen und der Geradeauslauf des Autos ist gefühlt nah am Schienenfahrzeug.
Zu den angenehmen Überraschungen des Mazda6 zählen außerdem der sehr zuverlässig agierende Fernlichtassistent, die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit ihrem vorausschauenden Auge und die hervorragend funktionierende Sprachsteuerung für Infotainment und Navigation.
Es ist also gar nicht schwer, eine Mittelklasselimousine zu konstruieren und zu pflegen, die auch den deutschen Kunden (und Testern) gut gefällt, liebe oben genannte Hersteller.
Der Mazda6 gefällt nicht nur optisch, sondern auch mit seiner unaufgeregten Art. So, wie es auch der Mazda CX-5 beim ersten Kennenlernen getan hat.
Im Jahr 2018 wird Mazda das soeben präsentierte Mazda6-Facelift auf dem deutschen Markt einführen. Ein guter Anlass, um die Kritikpunkte wie Motordämmung und Windgeräusche abzustellen, vielleicht noch ein wenig am Abrollkomfort zu arbeiten und dem Navigationsgerät eine modernere Kartendarstellung zu spendieren.
Aber auch ohne diese Feinheiten lohnt sich für Mittelklassekunden mal ein Blick und eine Probefahrt. Denn es kann auch ganz einfach sein, mal über den typischen Firmenwagentellerrand hinauszuschauen.
Unter der Bildergalerie geht es zum Video über den Mazda6.
Technische Daten
Mazda6 Skyactiv-D 175 Sports-Line |
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Hubraum | 2.191 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 129 kW / 175 PS bei 4.500 U/min |
Max. Drehmoment | 420 Nm bei 2.000 U/min |
Getriebe | 6-Gang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 223 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,5 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 7,4 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Winter Contact 225/45 R19 |
Leergewicht | 1.593 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.870 / 1.840 / 1.450 mm |
Grundpreis | 37.490 Euro |
Testwagenpreis | 41.790 Euro |