Nio ET7 (2022) Mit Nomi auf Tour

Der Nio ET7 im ersten Fahrbericht mit Video-Review. Was kann die Elektro-Limousine aus China?

„Schau, wie ich schau“. Haustierbesitzer kennen die harte Arbeit, dem treuen Blick von Hund oder Katze zu widerstehen, wenn es um den Hüpfer auf die Couch oder eine Extraportion Futter geht. An Bord eines Nio blickt Dich Nomi ähnlich an. Hinter diesem Namen (abgeleitet vom englischen „know me“, lerne mich kennen) steckt das Interface mit der KI in den chinesischen Elektroautos.

Der Nio ET7 im Video

„Hey Nomi“: So spricht man die Sprachsteuerung an, die dann nicht nur verbal, sondern auch mit einem Blick oder Winken reagiert. Das wirkt viel freundlicher und interaktiver als die Interaktion mit Autos anderer Marken. Unter Nomis wachsamen Blicken können sich die Insassen im Nio ET7 räkeln. In beiden Reihen herrschen fürstliche Platzverhältnisse, was dem mit 3,06 Metern sehr langen Radstand zu verdanken ist. Die flache Fließheckform der Stufenhecklimousine sorgt aber für eine recht flach montierte Rücksitzbank, zudem lassen sich die Füße kaum unter den Vordersitz schieben. Hinter den Lehnen steht ein überschaubar großer Kofferraum mit 370 Litern Volumen zur Verfügung.

130 kW Ladeleistung

Im Fahrzeugboden steckt der 100 kWh große Lithium-Ionen Akku. Er kann entweder per Kabel (11 kW Wechselstrom, 130 kW Gleichstrom über CCS) geladen werden oder innerhalb von wenigen Minuten gegen eine volle Batterie ausgetauscht werden. Über 4.000 Wechselstationen, in denen der Tausch vollständig automatisiert gelingt, sind Teil der globalen Pläne von Nio. Zum Marktstart gibt es eine erste Station in Zusmarshausen an der Autobahn A8. Gebaut werden die neuen Tauschstationen in Ungarn. Hier steht somit das erste Nio-Werk außerhalb Chinas.

Im Moment ist der Akku fast voll, also kümmern wir uns ums Fahren. Per Drehwalze in der Mittelkonsole wird in die „D“-Stellung geflippert. Mit schwerem Fuß auf dem rechten Pedal schießt die fast 2,4 Tonnen schwere Limousine katapultartig nach vorne – zumindest mit aktiviertem Sport-Modus. Dann werden die komplette Systemleistung von 480 kW (653 PS) und bis zu 850 Newtonmeter Drehmoment entfesselt. Die Werksangabe von 3,8 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h glauben wir gerne ohne eigene Messwerte. Auf der freien Autobahn beschleunigt der ET7 linear, bevor er bei der elektronisch programmierten Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h sanft in den Begrenzer rauscht.

Hoher Fahrkomfort

Nio ET7 Fahrbericht Test Video Review

Der Nio ET7, mit dem die Chinesen sich der Premium-Konkurrenz von Mercedes EQE und Genesis Electrified G80 stellen, kann aber nicht nur schnell schneller werden, sondern auch komfortabel gleiten. Mit den elektronisch gesteuerten Dämpfern und Luftfederung bügelt das Fahrwerk kurze Wellen und Aufbrüche im Asphalt gekonnt flach. Das insgesamt niedrige Geräuschniveau wird nur durch leicht hörbare Abrollgeräusche (je nach Untergrund) beeinträchtigt.

Das 12,8 Zoll große Display dient als zentrale Interaktionseinheit, sofern man gewünschte Funktionen nicht auf Zuruf von Nomi erledigen lässt. Einige Funktionen wie die Sitzverstellung lassen sich aber, das freut den Traditionalisten, auch mit physischen Tasten steuern.

Auffällig am Design: Die Ausbuchtungen vorne am Dach. Hier stecken nicht nur Kameras, sondern auch modernste Lidar-Technologie drin. Noch kann der Nio ET7 nicht nach Level 4 autonom fahren (dann wäre der Eingriff des Fahrers nur in Notsituationen erforderlich), dafür fehlen aktuell zudem die rechtlichen Grundlagen. Schon jetzt zeigen die miteinander vernetzten Sensoren aber eine feinfühlige Fahrassistenz mit guter Spur- und Abstandhaltefunktion.

Das kostet der Nio ET7 (nicht)

Nio ET7 Fahrbericht Test Video Review

Neue Marke, neue Ideen, neues Nutzerverhalten? Eine klassische Preisliste oder einen entsprechenden Online-Konfigurator mit Ausstattungslisten gibt es für den Nio ET7 (noch?) nicht. Die Liste der förderfähigen Elektroautos des Bafa (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) verrät aber den Grundpreis des Nio ET7: 69.900 Euro. Der dürfte für das Basismodell mit 75 kWh großem Akku kosten.

ET7 im Auto-Abo

Nio ET7 Fahrbericht Test Video Review

Nio setzt beim Marktstart in Deutschland vor allem auf sein Auto-Abo-Modell. Hie kann man voll flexibel mit einer zweiwöchigen Kündigungsfirst oder auch längerfristig seine Bindung an Auto und Marke eingehen. Logisch, dass bei längeren Verträgen die Tarife sinken. Aktuell (Stand 8. Oktober 2022) listet die Nio-Website Bestandsfahrzeuge für Abo-Kunden auf, die schon ab innerhalb einer Woche verfügbar sind. Ein ET7 mit 75 kWh-Akku kostet bei einem Subscription-Vertrag über 36 Monate 1.199 Euro, mit 100 kWh sind es mindestens 1.311 Euro.

Die Lieferung des Autos bis zum Kunden ist im Moment kostenlos, sofern man im Großraum Berlin wohnt. 1.250 Kilometer Fahrleistung im Monat sind im Preis inbegriffen, ebenso Versicherung und Service.

Fazit

Nio ET7 Fahrbericht Test Video Review

Der erste Aufschlag sitzt. Mit dem Nio ET7 werden schon im ersten Fahrbericht auf deutschen Straßen die hohen Erwartungen, die viele potenzielle Kunden (und Anleger) in die Marke gesetzt haben, erfüllt. Das Design hat seine eigene Linie, Materialien und Verarbeitung sind ebenso auf hohem Niveau wie die Antriebstechnik.

Die Konzentration auf Abo-Modelle könnte Kunden die Angst vor hohen Wertverlusten nehmen, zudem kann der Hersteller den künftigen Gebrauchtwagenmarkt in seinem Sinne steuern. Wir freuen uns auf mehr von Nio. 2023 starten das SUV EL7 und der kleinere ET5. Auch hier ist Nomi an Bord.

Technische Daten

Nio ET7

Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor: Nennleistung KW 130 kW lt. Zulassungsbescheinigung
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW 180 kW (245 PS)
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW 300 kW (408 PS)
Systemleistung: kW / PS 480 kW (653 PS), 850 Nm
Batterie 100 kWh, Lithium-Ionen, Reichweite 505-580 km
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) 11 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 130 kW
Beschleuningung 0-100 km/h 3,8 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 19,0 - 21,8 kWh
Reifenmarke und –format des Testwagens Bridgestone Turanza 245/45 R20
Leergewicht 2.379 kg
Anhängelast (gebremst) 2.000 kg
Länge / Breite / Höhe 5.101 / 1.987 / 1.509 mm
Grundpreis 69.900 Euro
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Text: Matthias Gill
Bilder: Matthias Gill, Michael Schlüter