Der neue Opel Astra Sports Tourer Electric will (nicht nur) Familien elektrifizieren. Fahrbericht mit Video-Review.
Der Opel Astra Electric geht in die Verlängerung: Einige Monate nach dem Fünftürer steht jetzt auch der Astra Sports Tourer Electric am Start. Er ist einer der ersten Elektro-Kombis und soll Familien ebenso ansprechen die Business-Kunden. Wir waren auf ersten Testfahrten mit dem in Rüsselsheim gebauten Elektro-Sports-Tourer unterwegs. Doch zuvor verbringen wir die Zeit mit Puzzeln. Die nötigen Teile sind vorhanden.
Im Video: Opel Astra Electric
Wie der fünftürige Astra Electric nutzt auch der Sports Tourer die bekannte Stellantis-Konzern-Technologie auf Basis der EMP2-Plattform. Sie erlaubt die Verwendung von Verbrennern, Plug-in Hybriden und rein batterieelektrischen Antrieben.
Das sorgt für einen breiten Mix im Astra-Programm. Ihn gibt es als Dreizylinder-Benziner, als Diesel mit vier Töpfen und als Plug-in Hybrid in zwei Ausbaustufen mit 180 PS oder 225 PS Systemleistung im sportlichen GSe . Seit Frühsommer gesellt sich der Opel Astra Electric hinzu.
Einer für alle
115 kW (156 PS) leistet der unter der vorderen Haube platzierte Elektromotor in der Spitze, sofern man im Sport-Modus unterwegs ist - oder das Fahrpedal für vollen Leistungseinsatz (z.B. bei einem Überholmanöver) voll durchtritt. Das Drehmoment von 270 Newtonmeter sorgt für ein zügiges Vorankommen. Das konnten wir bei ausgiebigen Testfahrten mit dem Fünftürer ebenso herausfahren wie mit dem technisch eng verwandten und formatgleichen Kombi Peugeot E-308 SW . Damit kommen wir zu zwei der genannten Puzzle-Teile – die einzelnen Technik- und Format-Bausteine konnten wir bereits testen.
Der Lithium-Ionen-Akku mit einer netto nutzbaren Speicherkapazität von 51 kWh (Brutto-Angabe 54 kWh) soll beim Opel Astra Sports Tourer für eine Reichweite von 413 Kilometern nach WLTP-Norm liegen. Diesem Wert liegt ein kombinierter Verbrauch von 15,0 – 15,8 kWh auf 100 Kilometern zugrunde.
Der Anzeige des Bordcomputers nach haben wir mit dem etwas leichteren Fünftürer einen Verbrauch von 16,3 kWh / 100km herausfahren können, inklusive langem Autobahnanteil. Mit dem Peugeot E-308 SW wurden, ebenfalls gutgläubig vom Bordcomputer abgelesen, auf Landstraßen in Spanien 17,0 kWh / 100 km erreicht.
Geht der der Füllstand der Batterie zur Neige, lässt sich Gleichstrom über den CCS-Anschluss mit einer Leistung von bis zu 100 kW laden, nach 30 Minuten soll der Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt sein. An einer Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule fließt Wechselstrom dreiphasig mit 11 kW. In fünf Stunden und 45 Minuten ist der Akku hier wieder voll – also über Nacht in der Reihenhausgarage oder tagsüber beim Arbeitgeber.
Ohne Rücksicht auf die Effizienz lässt sich der Opel Astra Sports Tourer Electric in 9,3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 170 km/h begrenzt. Beides sind eher durchschnittliche Werte, im Alltag diesseits der Rennstrecke dürften beide Werte aber völlig ausreichen.
Mehr würde sich der Elektromobilist bei der Steuerung der Energierekuperation wünschen. Stellantis bietet, neben der Steuerung über das Bremspedal, in fast allen Marken und Baureihen als Plug-in Hybride und Elektroauto, nur eine Stufe der verstärkten Energie-Rückgewinnung an. Sie muss man mit einer sehr kleinen Taste am Fahrstufen-Knubbel in der Mittelkonsole aktivieren. Das populäre „Ein-Pedal-Fahren“ mit Rekuperation bis zum Stillstand ist damit nicht möglich.
Immerhin: Der französische Opel-Mutterkonzern scheint die Fragen von Kunden und Medien nach einer mehrstufigen Rekuperation zu hören. Für die Facelift-Versionen des Peugeot e-Traveller , einem Bruder des Opel Zafira-e Life, sowie den Hochdach-Kombis um den Opel Combo Electric wurden Lenkrad-Schaltwippen zur Einstellung der Rekuperation angekündigt.
27 cm länger als der Fünftürer
Zurück zum Astra: Der Sports Tourer ist mit 4,64 Metern um 27 Zentimeter länger als der fünftürige Kompakte, der Radstand legt um 5,7 Zentimeter zu. Damit bietet der Kombi etwas mehr Platz im Fond. Jedoch gelten beide Karosserievarianten nicht gerade als Raumwunder, viele Konkurrenten in der Kompaktklasse sind in der zweiten Reihe weitläufiger.
Das Gepäckabteil des Kombis mit Elektroantrieb misst, bei aufgestellter Lehne der Rücksitzbank, 516 Liter, maximal sind es als Zweisitzer 1.553 Liter. Aufgrund des Akkus liegen diese Werte etwas unter denen der reinen Verbrenner mit 597 bzw. 1.634 Litern. Nebenbei – der gleichfalls eng geschnittene Peugeot E-308 SW (das dritte Teilchen unseres Konzern-Puzzles) schluckt ganz hinten mit 548 bis 1.574 Litern etwas mehr als der Hesse.
So fährt sich der Elektro-Kombi
Unser Testwagen trägt die serienmäßige Lackdecke in "Kardio Rot Metallic". Der Farbton steht dem Astra Sports Tourer gut, die GS-Ausstattung bietet mit ihren schwarzen Details und dem schwarzen Dach einen optischen Kontrast. 412 Kilometer Reichweite stehen bei vollem Akku in der Anzeige des Bordcomputers - der sich damit im Zielkorridor der WLTP-Norm befindet.
Wir steuern den Kombi durch Ortschaften und über Landstraßen, schrauben uns durch den Nebel den Großen Feldberg außerhalb Frankfurts hinauf. Keine idealen Bedinungen für einen Elektroantrieb, der im Stadtverkehr mehr Energie rekuperieren könnte. Am Ende des Tages steht der Wert von 16,9 kWh auf 100 Kilometer in der Anzeige hinter dem Lenkrad. Im Vergleich zum Sommer-Verbrauch des Fünftürers (siehe oben) und im Fern-Vergleich mit dem Peugeot E-308 SW ist der Stromhunger des Astra Sports Tourer Electric also auf ähnlich gutem Niveau.
Das längere Heck des Sports Tourer und 24 Kilogramm Mehrgewicht im Vergleich zum Fünftürer haben keinen spürbaren Einfluss auf das Fahrverhalten diesseits von gestoppten Runden auf einer Rennstrecke. Auch dieser Astra Electric bietet eine leicht straffe, aber dennoch ausreichend komfortable, Abstimmung des Fahrwerks. Verstellbare Dämpfer sind nicht zu habenn, sie werden aber auch nicht vermisst. Die Lenkung bietet eine gute Rückmeldung und lässt sich gut dosieren.
Bei kräftigem Tritt auf das Fahrpedal stellt der E-Motor sein Drehmoment nach einer halben Gedenksekunde bereit. Elektroauto-Neulinge werden als nicht vom berüchtigten Tritt in den Rücken überrascht. Die Ingenieure dürften diese Abstimmung aber wohl eher zur Schonung der Komponenten gewählt haben.
Im Kofferraum unseres Astra macht sich eine große Tasche breit. Sie beinhaltet den "Universal Charger" aus dem Zubehörprogramm der Marke. Mit einfach montierbaren Steckadaptern kann man das Auto damit sowohl an einer öffentlichen Ladesäule oder einer Wallbox, einer Hauhaltsteckdose oder einer Starkstrom-Dose anschließen. Das gibt Flexibilität, kostet aber Laderaum. Einen "Frunk", also ein Staufach für Kabel und Co. unter der vorderen Haube, bietet der Opel Astra Electric nicht.
Kombi-Aufpreis: 1.500 Euro
Zum Marktstart gab es den Opel Astra Electric nur in der gehobenen GS-Ausstattung für 45.060 Euro, mittlerweile ist auch ein Basismodell in der Preisliste und im Konfigurator eingezogen. Es kostet als Fünftürer ab 41.990 Euro. Der Aufpreis für den längeren Sports Tourer beträgt beim Astra, unabhängig von der Antriebstechnologie, 1.500 Euro.
Als Grundmodell kostet der Caravan der Neuzeit also ab 43.490 Euro, als GS 46.560 Euro. Für den Mehrpreis in Höhe von 3.070 Euro fahren zusätzlich u.a. ein AGR-zertifizierter Fahrersitz (Aktion Gesunder Rücken) mit mehr Verstellmöglichkeiten, Heizung für Lenkrad und Vordersitze, eine Zweizonen-Klimaautomatik, getönte Scheiben im Fond (für weniger Klima-Arbeit im Sommer), eine 360-Grad-Kamerafunktion, die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Stauassistenz bis zum Stillstand und erneuten Anfahren sowie schwarze Design-Details an der Karosserie.
Vergleich mit der Konzern-Konkurrenz
Eine Wärmepumpe, mit der die Reichweite im Winter stabil gehalten werden kann, ist in beiden Ausstattungslinien mit an Bord. Navigation kostet stets extra. Das Head-up-Display und die IntelliLux genannten Matrix-LED-Scheinwerfer sind optional nur für den Astra GS zu haben.
Diese Ausstattungslinie lässt auch den Preis-Vergleich mit dem Konzernbruder Peugeot E-308 SW zu. Er ist als GT mindestens 48.440 Euro teuer, damit kostet er 1.800 Euro mehr als der Opel Astra Sports Tourer Electric GS mit gleicher Antriebstechnologie. Matrix-LED-Scheinwerfer sind beim Franzosen jedoch dann schon Teil der Serienausstattung, ein Head-up-Display gibt es mit dem dort markentypischen i-Cockpit aber nicht.
Fazit
Der erste Elektro-Kombi der Kompaktklasse kam in Form des MG5 aus China. Mit dem Opel Astra Sports Tourer Electric bereichert jetzt aber auch ein deutscher Hersteller das Segment der alltagstauglichen Familienautos. Ob die gebotene Reichweite, die im Alltag meist unter der WLTP-Angabe liegt, ausreicht, muss man anhand des persönlichen Fahrprofils für sich entscheiden. Außerdem lohnt sich ein Kassensturz. Mit Preisen ab 43.490 Euro ist der Elektro-Kombi aus Rüsselsheim nicht günstig, zumal erst die GS-Ausstattung für 46.560 Euro einigermaßen komplett ausstraffiert wird.
Das Fahrverhalten des Opel Astra Sports Tourer Electric ist ausgewogen, animiert dabei gerne auch zu dynamischeren Einlagen. Und zeigt damit: Das Auto könnte auch mit mehr Leistung und einem höheren Drehmoment prima zurechtkommen. Für den Familienalltag eines kompakten Kombis ist der Astra Sports Tourer aber auch mit 115 kW und 270 Nm völlig ausreichend motorisiert.
Verbrenner im Video: Opel Astra Sports Tourer Diesel
Technische Daten
Opel Astra Sports Tourer Electric |
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Antrieb | Frontantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 115 kW (156 PS) im Sportmodus / 100 kW (136 PS) im Normalmodus / 79 kW (108 PS) im Eco-Modus |
Elektromotor: Nennleistung KW | 62 kW (84 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 270 Nm |
Batterie | 54 kWh (netto 51 kWh), Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 100 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 11 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 9,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 15,0 - 15,8 kWh | Reichweite 413 km |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 16,9 kWh |
Leergewicht | 1.760 - 1.785 kg |
Anhängelast (gebremst) | keine, Stützlast 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.642 / 1.860 / 1.481 mm |
Grundpreis | 43.490 Euro | GS 46.560 Euro |
Testwagenpreis | 53.930 Euro |