Lohnt der Griff zum Diesel im VW Polo? Alltagstest des TDI mit 95 PS.
„Was bist du groß geworden.“ Solche Sätze dürften sich manche langjährigen Kunden beim Anblick und der Sitzprobe im aktuellen VW Polo gedacht oder vor sich hingemurmelt haben.
Mit einer Länge von 4,05 Metern und 351 Litern Kofferraumvolumen ist die aktuelle Kleinwagenbaureihe in ihrer sechsten Generation in der Tat längst da angekommen, wo früher der Kompaktplatzhirsch Golf zu Hause war.
Mit großen, bequemen Sitzen und vor allem der, meist optionalen, Ausstattung in Form von digitalen Instrumenten, Touchscreen und Navigation ist auch der Alltagsnutzen des Polo alten Denkmustern entwachsen.
Spätestens jetzt kommt der VW Polo auch für Kundengruppen in Betracht, die sich früher weiter oben im Modellprogramm der Wolfsburger oder anderer Marken orientiert haben, zum Beispiel die Pendler mit längerem Weg zur Arbeit.
So ist es zu erklären, dass überraschend viele Fragen nach einem Test des VW Polo TDI in der Redaktion eintrafen. Und so soll es sein. Nach dem 95 PS starken Einliter-TSI , dem ausführlichen Check des Active Info Display und dem Fahrbericht zum 200 PS starken Polo GTI jetzt also der Selbstzünder.
In den Polo schraubt VW den 1,6 Liter großen TDI-Vierzylinder, je nach Ausstattungsstufe wahlweise mit 80 oder 95 PS. Die stärkere Version rollte im Polo Highline zum Alltagstest an. Vollgestopft mit Extras bis hin zum Panorama-Schiebedach, Innendekorleisten in der Karosseriefarbe „Energetic Orange“ und 17-Zoll-Leichtmetallfelgen hatte er das Kleinwagenimage abgeschüttelt.
Schütteln als Überleitung zum Dieselantrieb? Nein! Denn bis auf die vorglühende Gedenksekunde beim winterlichen Kaltstart blieb die Art der Verbrennung im Hintergrund. Während der Dreizylinder-Benziner manchmal frech schnattert, brummt der größere TDI mit vier Brennräumen eben ruhig vor sich hin.
Damit zeigt er auch gleich sein Wesen. Hetze liegt ihm nämlich nicht so sehr. Die 95 Pferdestärken haben mit dem mindestens 1.280 Kilogramm schweren Polo durchaus Last zu schleppen. Das manuelle Fünfganggetriebe ist dabei keine große Hilfe.
Nichts gegen die Schaltbox an sich. Der Ganghebel ist perfekt geführt, die Wege sind kurz und die Gänge rasten sauber ein. Aber das müssen sie eben recht oft tun.
Ab 1.500 Umdrehungen pro Minute liegt laut Datenblatt das maximale Drehmoment von 250 Nm an. In der Realität sammelt sich der Polo TDI dann aber erstmal, bevor er in höheren Drehzahlregionen kontinuierlich Kraft aufbaut.
Auf der Autobahn bedeutet das: Selbst bei 140 km/h im fünften Gang muss zurückgeschaltet werden, wenn man einen Überholvorgang so gestalten will, dass man nicht noch durch das offene Fenster eine Unterhaltung mit dem Überholten zu Ende führen möchte.
Auf Dauer steigt dann der Verbrauch. Also lässt man es lieber entspannt angehen. Oder sortiert sich in den Berufsverkehr zu Stoßzeiten ein, wie es Pendler eben machen müssen.
Dann verwöhnt der Polo auch als TDI mit seinem geräumigen Innenraum, der guten Übersicht und der logischen Anordnung aller Bedienelemente.
2.250 Euro Aufpreis für den 95 PS starken TDI im Vergleich zum gleich starken TSI-Benziner müssen aber erst einmal hereingefahren werden. Im Testalltag hat der Diesel 6,4 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Der TSI hat im Fahrbericht laut Bordcomputer 7,0 Liter Super für die gleiche Distanz getrunken.
Versicherungs-Vergleich von TSI und TDI
In der Versicherungsprämie ist kein Dieselaufpreis mehr zu sehen. Ein Check der Tarife für einen privaten Versicherungsnehmer (Land München, ein minderjähriges Kind, Garage, 20.000 Kilometer im Jahr) ergibt für den Polo TDI Konditionen für Haftpflicht mit Teil- und Vollkasko (150 bzw. 300 Euro SB) ab 805 Euro im Jahr. Der günstigste Anbieter will für den Polo TDI mit 95 sogar 898 Euro im Jahr, die restlichen Versicherer verlangen für beide Motorentypen etwa das Gleiche.
Bleibt also – neben der höheren KFZ-Steuer – der geringere Spritverbrauch, denn man auf Dauer vielleicht auf 1,2 – 1,5 Liter ausdehnen kann. Selbst dann muss sehr viel gefahren werden, um den Aufpreis hereinzuholen.
Also gilt es, für den Polo TDI eine Verhandlungsrunde mehr am Tisch des Verkaufsberaters zu investieren. Und das reine Pendlerauto geschickt auszustatten:
LED-Scheinwerfer für gute Sicht morgens und abends sind Pflicht. Das Beats-Soundsystem für Unterhaltung ebenso wie DAB+ für mehr Radioauswahl. Die werkseigene Navigationslösung muss aber nicht sein, für Stauinfos auf der stets gleichen Strecke ist das mit dem Infotainment verbundene Smartphone die bessere Lösung.
Schiebedach, große Leichtmetallräder und das gut gespreizte „Sport Select“-Fahrwerk mit zwei Dämpferkennlinien kann man sich dann wiederrum sparen. Denn darauf kommt es beim Kauf eines Kleinwagens mit Dieselmotor ja an. Auch wenn der Polo so erwachsen herüberkommt.
Fazit zum VW Polo TDI
Der VW Polo ist ein ausgereiftes und geräumiges Auto, dass für die meisten Einsatzzwecke voll und ganz ausreicht. Erstwagenqualitäten also. Sofern man über die teilweise harten Kunststoffe im Innenraum hinwegsieht. Oder sie als Verbeugung vor dem Golf II sieht. Wie auch immer.
Der TDI-Antrieb lohnt sich nur für eine spitze Zielgruppe, weil er den Vorteil des Drehmomentwunders zumindest mit manueller Schaltung nicht ausspielen kann. Den Ausweg zum Siebengang-DSG erschwert der hohe Dieselaufpreis, der manche Budgetgrenzen schon maximal ausreizen dürfte.
Technische Daten
VW Polo 1.6 TDI Highline |
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Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 70 kW / 95 PS |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1.500 - 2.500 U/min |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,2 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 185 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,9 Liter (WLTP) |
Verbrauch real auf 100km | 6,4 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Bridgestone Blizzak LM32 215/45 R17 |
Leergewicht | 1.280 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.053 / 1.751 / 1.461mm |
Grundpreis | 20.850 Euro |
Testwagenpreis | 29.895 Euro |