Lieblingslied, Podcast oder Nachrichten: Viele Kunden legen Wert auf guten Klang im Auto. Welche Arbeit steckt dahinter? Wir haben nachgefragt.
Die Sinneseindrücke beim Autofahren haben sich über die Jahrzehnte geändert. Unverbesserliche Traditionalisten sprechen manchmal auch von Abstumpfung. Die Frau oder der Mann hinter dem Lenkrad spürte früher Geräuschen nach, die auf mögliche Defekte ebenso hinwiesen wie Gerüche.
Und heute? In automatisch temperierten Innenräumen lässt man sich, je nach Auto und Vorlieben, den Sitz heizen oder kühlen, während das Navigationssystem den Weg weist. Aufwendig gedämmte Verbrenner oder erst recht Plug-in Hybride im E-Modus sowie batterieelektrische Autos bringen kaum oder keine Antriebsgeräusche an die Ohren der Insassen.
Guter Klang als Komfortmerkmal
Die lauschen lieber ihrem selbstgewählten Entertainmentprogramm, ob im Hintergrund dudelnden Gute-Laune-Radio bis zum neuen Album der Lieblingsband. Der Klang im Auto wurde von den Herstellern längst als eines der Gebiete erkannt, in dem man sich vom Wettbewerb abheben und gleichzeitig den Kunden teure Optionen verkaufen kann. Vor allem Premiumhersteller bieten in ihren Oberklassefahrzeugen oftmals mehrere Soundsysteme für teils schwindelerregende Aufpreise an. Marken wie Subaru oder Kia bringen optimierte Lautsprecheranlagen je nach Modellvariante auch serienmäßig ins Programm.
Ob es nun das ausgefeilte Klangerlebnis in einem Audi A8 oder Volvo XC90, der auch die Akustik der Konzerthalle von Göteborg bereithält, oder ein – im Vergleich zum Serienstandard – kräftigeres Lautsprecherensemble in einem Kia Sportage ist: Bei der Entwicklung setzen Autohersteller meist auf externe Spezialisten bei Zulieferern.
Besuch bei den Klangspezialisten
Eine zentrale Anlaufstelle für Audio im Auto ist das Unternehmen Harman, eine Tochterfirma von Samsung. Dort hat man im Laufe der Zeit, meist durch Nutzung einer Lizenz, viele große Namen der Lautsprecherindustrie versammelt. Harman kann dadurch Namen wie Bang & Olufsen, Bowers & Wilkins, Infinity, JBL, Lexicon, Mark Levinson sowie das eigene Siegel Harman Kardon für den Einsatz in Fahrzeugen nutzen.
Die Adaption der richtigen Klangwelt ist dabei mehr als das, was man früher an einem Vormittag mit Bohrer und Zubehör-Boxen in seinen Gebraucht-Golf gebastelt hat. „Mit der Arbeit an einem neuen Soundsystem für ein neues Auto sind wir von Beginn der Fahrzeugentwicklung mit involviert“, erklärt Marcin Kalinowski, Principal Acoustic Systems Engineer bei Harman.
Auch die Entwicklung des Zulieferers läuft mittlerweile zu großen Teilen am Computer ab, beispielsweise mit Simulationen. „Sobald wir das System definiert und integriert haben, geht es an die akustische Feinarbeit“, erzählt Marcin Kalinowski. „Dafür arbeiten wir mit Prototypen der Autohersteller. Nur so können wir die Akustikleistung einzelner Komponenten prüfen und auch mögliche Probleme erkennen, um sie zu lösen.“
Dabei kann es für einzelne Baureihen auch mehrere Entwicklungen geben. Unterschiedliche Karosserieformen haben spezielle Anforderungen. So kann das lange Heck eines Kombis beispielsweise ganz andere Resonanzen erzeugen als der kürzere Hatchback auf gleicher Basis.
Jedes Modell ist anders
„Jedes Automodell und jede Karosserievariante stellt die Akustik im Innenraum vor eigene Herausforderungen“, führt der Harman-Ingenieur aus. „Bei einer anderen Karosserie innerhalb einer Baureihe wird beispielsweise die Position des Subwoofers geändert oder das Design der Lautsprecher, auch die Abstimmung des Systems kann geändert werden.“
Es ist nicht verwunderlich, dass wir in die einzelnen Sound-Labore nicht hineinschauen dürfen, wo streng geheime Prototypen künftiger Autos parken. Wir sind mit dem aktuellen „Dauertester“ vor Ort, einem Kia Sportage Plug-in Hybrid. Die koreanische Marke setzt in ihrem Modellprogramm auf zwei unterschiedliche Marken aus der Harman-Welt. Der Kia Ceed hat, je nach Ausstattungsvariante, ein JBL-System, im Sportage wird die Marke Harman Kardon verwendet.
Im Video: Fahrbericht Kia Sportage PHEV
Das kompakte SUV der Koreaner, das Anfang 2022 neuer Form auf den Markt kam, wird als Verbrenner mit und ohne Mild-Hybrid-System, als Vollhybrid und als Plug-in Hybrid angeboten. Das bedeutet: Je nach Wahl der Motorisierung fährt ein Kia Sportage als Hybrid oder Plug-in Hybrid teilweise elektrisch und damit ohne Motorgeräusche. Auch das muss bei der Entwicklung des Soundsystems berücksichtigt werden, ebenso das Packaging. Denn im Hybrid-Sportage ist vielleicht die Batterie dort untergebracht, wo die Harman-Entwickler gerne ein Steuergerät oder den Subwoofer platziert hätten.
Marcin Kalinowski erzählt: „Bei der Entwicklung des Soundsystems für den Kia Sportage haben wir die unterschiedlichen Varianten von Anfang an berücksichtigt, im Speziellen für den Subwoofer. Er ist das größte Bauteil des Systems. Außerdem wurde für jede Motorvariante der Baureihe eine eigene Abstimmung definiert.“
Neue Aufgaben für das Soundsystem
Nicht nur die Elektrifizierung der Antriebsstränge bringt neue Facetten in die Arbeit der Akustik-Ingenieure, sondern auch die Entwicklung von Fahrassistenzsystemen. Warntöne in Verbindung mit Anzeigen für Fahrer und Passagiere werden in das Infotainment- und Soundsystem integriert. Dazu kommen wachsende Komfort-Ansprüche der Kunden. „Soundsysteme spielen im Auto eine große Rolle“, sagt Marcin Kalinowski. „Nicht nur für das Entertainment mit Funktionen wie Klangunterdrückung, 3D-Sound oder individuellen Klangzonen für Insassen, sondern auch für Assistenz- und Sicherheitshinweise bei der Navigation oder Sicherheitshinweisen.“
Es steckt also viel Arbeit in der Entwicklung der Lautsprecheranlagen. Das wirft die Frage auf, ob die ganze Mühe nicht umsonst ist, wenn wir als Nutzer dann das Smartphone über Bluetooth verbinden oder „anstöpseln“, um stark komprimierten Musikdateien zu lauschen?
Mit dieser Frage liege nicht völlig falsch, wie Marcin Kalinowski sagt: „Wir als Klangingenieure nutzen für die Entwicklung verschiedene Tonsignale und Geräusche sowie Musik verschiedenster Stilrichtungen, wobei wir stets unkomprimierte Dateien verwenden (Anm. d. V.: Das ist heute für Autofahrer nicht möglich, es gibt kein Modell mit Plattenspieler an Bord). Bei der Abstimmung wird das Soundsystem aber auch auf unterschiedliche Quellen wie Radiosignale und Bluetooth ausgerichtet und abgestimmt.
Um einige neue Erfahrungen reicher rollen wir vom Hof. Es ist noch Strom im 13,8 kWh großen Akku des Kia Sportage, das Auto setzt sich elektrisch in Bewegung. Fast ohne Sound – zumindest aus dem Antriebsstrang.