Sono Motors hat den Prototypen des elektrischen Sion gezeigt.
Eine Casting-Show auf Bloomberg TV hätte es nicht besser hinbekommen. Drei junge Menschen gründen ein Elektroauto Start-up und präsentieren auf der Pressekonferenz zur Präsentation des ersten Prototypes ihre Paraderollen: Laurin Hahn ist der extrovertierte Smart Guy, der in Berlin sicherlich schon Hipster wäre. Jona Christians der ruhige, schüchterne Tüftler, der am ersten Tag in der gemeinsamen Garage aus Versehen (?) Benzin getrunken hat. Klar, dass er mit einem Elektroauto besser bedient ist.
Und dann kommt, Frauenquote hin oder her, noch Navina Pernsteiner hinzu. Sie scheint den Laden zu rocken, hat als Designstudentin das Auto gestaltet, die Idee zum Crowdfunding gehabt und höchstwahrscheinlich auch das vegane Buffet bei der Fahrzeugpräsentation ausgesucht.
Den ersten Prototypen des Sion, so heißt das Elektroauto von Sono Motors, haben die drei mit ihrem Team jetzt erstmals im Foyer ihrer Büros gezeigt. Angereist sind Elektroautofans und Schwarmfinanzierer aus dem In- und Ausland. Und haben ihnen aus der Hand gefressen.
Das nimmt schon Elon Musk-sche Züge an (Elon Musk ist der Charakterkopf hinter Tesla). Nach der von stetem Applaus unterbrochenen Bühnenpräsentation wird der Sono Sion in die Menschenmenge gefahren (hoppla, das darf man eigentlich so nicht mehr schreiben, Ihr wisst aber, was gemeint ist), damit die geschätzt 600 – 700 Fans und ein paar Journalisten ihn „erleben“ können. Dann wird aber eine Absperrung um das Auto gestellt und durchgesagt: „Sorry, reinsetzen geht leider nicht, nur Anschauen.“ Und was macht die Meute? Richtig, sie applaudiert.
Der Apple fällt nicht weit vom Stamm. Die drei Sono-Gründer werden verehrt wie einst Steve Jobs. Dabei erfinden sie das Rad nicht neu. Gehen aber mit einem erfrischenden Ansatz an das Thema Elektromobilität heran.
Der Sono Sion, mittlerweile zu einem ausgewachsenen, hochbauenden und 4,11 Meter langen Fünfsitzer mit drei Einzelsitzen im Fond gereift, trägt am Dach und den Seiten Solarzellen. Die verwendeten Zellen verarbeiten neben direkter Sonneneinstrahlung auch diffuses Licht, können also von Schnee oder Häuserfronten gespiegeltes Sonnenlicht aufnehmen. Daher auch die Paneele an den Seiten.
Bis zu 30 Kilometer zusätzliche Reichweite an einem Sommertag sollen so speicherbar sein. Was die Reichweite des Sion im realen Fahrbetrieb auf 250 Kilometer schrauben soll. Der Verbrauch wird mit 15 kWh pro 100 Kilometer angegeben, die Fahrzeugbatterie soll eine Kapazität von 30 kWh haben.
Der 80 kW starke Elektromotor soll den Sono Sion auf bis zu 140 km/h beschleunigen können. Und wenn der Sion mal einen Tag in der prallen Sonne parkt und so vor sich hin lichttankt, soll er seine Energie auch abgeben können. Er ist bidirektional, das heißt, er kann auch als Stromquelle dienen.
Sei es für den Elektrogrill am Baggersee oder den Staubsauger. Viel smarter: Mit ihm lässt sich z.B ein anderer Sion laden. Geregelt werden soll das über die vollumfängliche Sono App. Dort kann man die Strommenge (in Kilometern Reichweite), die man abgeben will und kann einstellen und einen Preis festsetzen – ein anderer Sionist kann zustimmen und erfährt den Standort des Spenderfahrzeugs.
Mit der App lässt sich das Auto auch mit anderen Teilen oder eine Mitfahrgelegenheit organisieren. Ganz im Sinne der Mobilitätsbedürfnisse und Ansichten junger Menschen also.
So wenig passt es da ins Bild, dass für den Sono Sion ein ganz profaner Kaufpreis genannt wird. Was ist mit „Total Cost Of Ownership“-Rechnungen auf Basis einer Monatsrate? Nutzen statt Besitzen?
Verlockend klingt der Kaufpreis aber allemal: 16.000 Euro soll er für das Auto betragen, was angesichts der gewachsenen Größe seit den ersten Bildern umso attraktiver erscheint. Ohne Batterie übrigens. Die soll nach aktuellen Preisgefügen gut 4.000 Euro kosten. Und ist aus einem fairen Grund nicht in das Auto hineinkalkuliert.
„Die Batteriepreise sinken weiter“, erklärt Laurin Hahn. „Wo sie liegen, wenn wir das Auto ausliefern, wissen wir nicht. Deswegen sagen wir allen frühen Bestellern heute: das Auto kostet 16.000 Euro, die Batterie dann den aktuellen Marktpreis.“
5.000 Bestellungen benötigt Sono Motors übrigens, um den noch nicht final festgezurrten Auftragsfertiger (Magna? Valmet?) zur Serienproduktion zu überreden. Die soll im Sommer 2019 starten. Aktuell liegen Sono Motors 1.200 Vorbestellungen (Reservierungsanfragen) vor und 25 wirkliche, feste Bestellungen. Plus eine. Denn am Premierenabend hat Kurt Sigl, Vorstand im Bundesverband für Elektromobilität, spontan einen Sion bestellt.
Dabei sagte er: „Der soll dann in Berlin geteilt werden. Ich bin mir sicher, das wird so populär, dass wir direkt zehn weitere nachkaufen werden.“ Fehlen also nur noch 4.964 Sion. Die Chancen stehen gut, dass dem ersten Prototypen, der ab August auf eine Probefahrt-Europareise geht, viele weitere Exemplare folgen werden.