Premiere für die sechste Generation des VW Polo.
Im Alter von 32 Jahren stolpert mancher Mensch erstmals mit Bewerbungsmappe aus der Universität, andere erwarten das erste Kind. Eine Weichenstellung im Leben. Der VW Polo, oftmals als Biedermann seiner Klasse verschrien, hat in dieser Zeit einen fundamentalen Wandel hingelegt. Er ist erwachsen geworden, hat sich nach langer Partnerschaft vom dreitürigen Modell getrennt und buhlt mit vielen für die Modellreihe neuen Assistenzystemen und einem digitalen Cockpit um die Gunst der Käufer. Aber der Reihe nach.
Angefangen hat die Polo-Geschichte damals mit dem Audi 50. Dem wurde 1975 eine preiswertere Einstiegsversion mit VW-Logo zur Seite gestellt, der erste Polo kam auf den Markt. Die zweite Generation 1981 brachte neben dem rückblickend ziemlich coolen Steilheck ein Coupé und unzählige „neueste Ideen von Volkswagen“-Sondermodelle. Erst Polo Nummer Drei wurde fünftürig-praktisch und startete mit Komfortextras wie einer Klimaanlage den Aufstieg zum Vollwertauto im kurzen Format. 2001 spielte der Polo als vierte Generation mit Vieraugengesicht ein bisschen Mercedes CLK, bevor sein Facelift und die fünfte Modellreihe wieder Ruhe ins Design einkehren ließen.
Jetzt hat VW den neuen Polo präsentiert. Der dürfte so manchen Kunden interessieren, der im oben angesprochenen Alter einen Teil seines regelmäßigen Einkommens in Individualmobilität stecken möchte. Mit einer auf 4,05 Meter (+ 7cm zum Vorgänger) gewachsenen Länge ist er noch kompakt genug, um in den Seitenstraßen um die städtische Mietwohnung herum einen Stellplatz zu finden.
Das Platzangebot im Innenraum, der Radstand (2,56 Meter) und das Kofferraumvolumen (351 Liter) liegen aber allesamt über dem VW Golf IV (gebaut von 1997 – 2003). Damit kann der Polo durchaus als Erstwagen für die junge Familie gelten, damals passte doch auch fast alles in den Golf.
Am großen Bruder orientiert sich der neue VW Polo auch in Sachen Assistenzsysteme und Ausstattung: Je nach Modell kann man den Kleinwagen mit LED-Scheinwerfern, Toter-Winkel-Warner, adaptiver Geschwindigkeitsregelung und Notbremsfunktion im Stadtverkehr zum vollwertigen Pendler- und Reiseauto für längere Strecken aufrüsten. Ganz neu ist das digitale Cockpit namens Active Info Display der zweiten Generation, das konzernweit erstmals im Polo kommt. Die Bedienung wurde vereinfacht, man kann künftig z.B. durch einen Tastendruck am Multifunktionslenkrad durch die verschiedenen Ansichten flippern (Navigation / Bordcomputer / Audio).
Trommelwirbel, „Aha“ und „Oh“: der erste Bericht über einen neuen VW ohne den in sämtlichen Medien genutzten Hinweis, dass das Infotainmentmodul weiterhin zu tief sitzt. Im Polo geht der Hersteller einen anderen Weg. Die Lüftungsdüsen rutschen abwärts. Somit bilden die Instrumente und das Infotainment – ab dem Polo Comfortline mit 6,5 Zoll-Display, optional bis acht Zoll – eine Ebene im die breite betonenden Armaturenträger. Das sieht, die erste Sitzprobe zeigt es, sehr gut aus - und erinnert natürlich an den Plattformbruder Seat Ibiza. Dem hat der Polo das Active Info Display voraus, auf das sich per Handbewegung auch z.B. die Playlist vom Infotainmentmodul hinter das Lenkrad schieben lässt.
Als vertraut darf das Karosseriedesign definiert werden. Klar gibt es frech(er) gestylte Konkurrenz im Kleinwagensegment. Aber mal ehrlich: Hersteller, die auf einen langfristigen Erfolg setzen und die Hochwertigkeit ihrer Produkte untermauern wollen, eifern seit Jahren dem unaufgeregten VW-Design nach – Beispiele gefällig? Hyundai i20 und Kia Rio.
Der Polo der sechsten Generation übernimmt die jüngst mit dem Arteon eingeführte, lackierte Kunststoffleiste am oberen Ende des Kühlergrills. Die Chromleiste findet im LED-Tagfahrlichtstreifen der Scheinwerfer ihre Fortsetzung, dessen Knick in Wolfsburger Dimensionen fast waghalsig wirkt.
Zwei scharfe Blechkanten - im VW-Sprech Tornadolinie genannt - in Höhe der Gürtellinie laufen in Richtung D-Säule auseinander, womit die Designer ein kraftvolles Heck erarbeiten wollten. Schutzleisten an den Türen oder gar den Stoßfängern gibt es freilich nicht – aber dafür ja immer mehr Technik in modernen Autos: Beim Rangieren warnt die Einparkhilfe nicht nur vor drohenden Hindernissen, das Auto bremst nötigenfalls auch automatisch.
Der künftige Polo-Kunde kann aus neun verschiedenen Motorvarianten wählen. Hier die Übersicht:
VW Polo Benziner:
1.0 MPI (Saugbenziner) mit 65 PS oder 75 PS und 5-Gang-Schaltgetriebe
1.0 TSI mit 95 PS und 5-Gang-Schaltgetriebe
1.0 TSI mit 115 PS und 6-Gang-Schaltgetriebe oder 7-Gang-DSG
1.5 TSI mit 150 PS und 6-Gang-Getriebe oder 7-Gang-DSG (Fahrbericht Golf 1.5 TSI)
2.0 TSI mit 200 PS und 6-Gang-Getriebe oder 7-Gang-DSG im Polo GTI
VW Polo Diesel:
1.6 TDI mit 80 PS und 5-Gang-Getriebe
1.6 TDI mit 95 PS und 5-Gang-Getriebe oder 7-Gang-DSG
VW Polo Erdgas:
1.0 TGI mit 90 PS und 5-Gang-Getriebe
Zusammen mit dem ebenfalls neuen Seat Ibiza baut der VW Polo auf dem Modularen Querbaukasten auf, in der Kleinwagenphalanx des Konzerns haben Audi A1 und Skoda Fabia damit aktuell das Nachsehen. Dr. Herbert Diess, Markenvorstand bei Volkswagen, möchte mit dem Polo wie er sagt auch "Premium-Mitbewerber" angreifen. Er erwähnt dabei den Mini seines Ex-Arbeitgebers BMW, nennt aber explizit auch den Audi A1. Und erklärt, der Polo ist "The New Cool".
Wie gewohnt sortiert VW das Modellprogramm des neuen Polo in die Basisversion Trendline, den Comfortline (u.a. Infotainment, Klimaanlage, Multifunktionslenkrad, 15-Zoll-Felgen) und Highline (u.a. Einparkhilfe, Leichtmetallfelgen, Ambientebeleuchtung im Innenraum).
Dazu gibt es den Polo Beats, wie das gleichnamige Sondermodell des Up in Kooperation mit der angesagten Kopfhörer-Marke. Dieser Polo kommt mit einem 300 Watt-Soundsystem und möchte mit Sportsitzen, 16-Zoll-Leichtmetallfelgen und Dekorfolien vor allem jüngere Kunden anlocken.
Je nach Kreditrahmen (sei es von den Eltern oder der Bank) dürften die aber auch auf den Polo GTI schielen. Der Zweiliter-TSI dürfte auch längsdynamisch für ordentlich Musik sorgen. Ein größerer Stoßfänger vorne, Diffusor am Heck, der rote Streifen im Kühlergrill und in den Scheinwerfern (LED optional) und bis zu 18-Zoll große Räder (Serie: 17 Zoll) sorgen für den entsprechenden Auftritt und die Nähe zur Ikone Golf GTI. Entsprechend empfängt der Polo GTI seinen Fahrer im Innenraum mit Stoffsitzen im Karomuster. Das serienmäßige Sportfahrwerk lässt sich durch die Option „Sport Select“ mit einstellbaren Dämpfern aufrüsten.
Zusätzlich zu den festen Ausstattungslinien wird es drei Pakete (R-Line, Style und Black) geben. Zusammen mit 14 Lackfarben, elf Sitzbezügen und verschiedenen Farbblenden für den Innenraum möchte auch VW vom Trend der Individualisierungsfreude ein Stück abhaben.
Nur bei der Wahl der Karosserie kann der Kunde keine Entscheidung treffen. Den neuen Polo wird es nur noch als Fünftürer geben, der zuletzt wenig nachgefragte Dreitürer entfällt.
Das Einstiegmodell Polo Trendline mit dem 65 PS-Benziner wird 12.975 Euro. Der Vorgänger mit 60 PS stand mit 12.750 Euro in der Liste. Dann jedoch als Dreitürer, der Fünftürer kostete 13.550 Euro. Da der Polo bisher das Umfeldbeobachtungssystem mit City-Notbremsassistent nicht an Bord hatte, hat das neue Modell also einen merkbaren Preisvorteil. Der sogar noch größer wird, weil sich der erwachsenere Polo für viele Kunden auch als eine ernsthafte Alternative zum größeren Golf empfiehlt.
Jürgen Stackmann, Volkswagen-Vorstand für Marketing, Vertrieb und After-Sales, sieht im Gespräch mit AUTONOTIZEN natürlich immer noch ausreichend Abstand zum Golf.
„Der Golf ist und bleibt unser Nummer 1 im Showroom, das Herzstück unserer Marke. Die Entwicklungsteams geben sich beim Golf immer die größte Mühe.“ Nach dem ersten Kontakt mit dem Polo kann man vermuten, dass in Wolfsburg für den neuen Polo nicht weniger Einsatz gezeigt wurde.