Ford Ranger Raptor Aus eins mach zwei

Der neue Ford Ranger Raptor mit V6-Benziner im Fahrbericht mit Video-Review.



Man(n) kann abgeklärt sein, wie man will – das erste Mal kostet in manchen Fällen schon etwas Überwindung, oder? Wie heute. Vor uns liegt eine trockene Geröllstrecke mit Kuppen, Kehren und hohen Grasnarben. Der Instruktor auf dem Beifahrersitz feuert mich beständig an, mehr Gas zu geben. Offroad mit Tempo 60? Eine für mich neue Erfahrung.

Der Ford Ranger Raptor im Video

Zuvor wurden die entsprechenden Fahrprogramme im Ford Ranger Raptor scharf gestellt. „Baja" nennt der Hersteller den Modus für schnellen Rallye-Spaß abseits des Asphalts. Hier lässt sich dann auch die klappengesteuerte Abgasanlage auf die schärfste Tonlage mit gleichem Namen einstellen. Die Software steuert den permanenten Allradantrieb und seine Kraftverteilung.

Vor der hoch aufragenden, im Farbton „Code Orange“ lackierten Motorhaube blickt man nur auf Horizont. Mit fast unvermindertem Tempo (aber kurzem Lupfen des Gasfußes) geht es auf eine Kuppe, auf deren Spitze die Furche eine Rechtskurve beschreibt. Weder das Fahrwerk mit seinen Fox-Gasdruckstoßdämpfern samt internem Bypass-Ventil noch die Lenkung zicken. Es folgt eine langgezogene Biegung. „Gib Gas, mehr Gas“ tönt es vom Beifahrersitz. Knapp über 75 km/h sind wir schnell, sanftes einlenken und weiter aufs Pedal. Über die Schaltwippen am Lenkrad wird die serienmäßige Zehnstufen-Automatik im zweiten Gang gehalten.

Tempo im Gelände

Am hinteren Ende des 5,36 Meter langen Pick-ups drängt das Heck nach außen, verbreitert die Staubfahne, die wir hinter uns herziehen. Dabei bleibt das zum Rallyeauto transformierte Nutzfahrzeug in jedem Augenblick beherrschbar.

Es folgt eine weitere Kuppe. Auch jetzt hilft es, den Anweisungen von Pietro, dem erfahrenen Instruktor, zu folgen. Auch wenn ich mich erneut überwinden muss, auf bis zu 80 km/h zu beschleunigen. Kurz vor dem Anstieg hebt sich der Fuß vom Gaspedal, um dann im richtigen Moment (den ich nach der dritten Runde erkannt habe) wieder voll draufzusteigen. Ganz wichtig: Geradeausfahren, dabei hilft die 12-Uhr-Markierung auf dem Lenkrad. Die Front hebt sich und für einen kurzen Moment das ganze Auto, setzt zum dezenten Sprung an (ob Pietro stolz ist oder das nur aus Höflichkeit sagt?). Überraschend ist das entspannte Aufkommen mit dem Ford Ranger Raptor. Das Fahrwerk steckt auch diese Herausforderung so locker weg wie andere Autos eine Regenrinne an der Garageneinfahrt.

Heller Staub überzieht die Karosserie. Wir verlassen den privaten Rundkurs (wildes Offroadfahren ist zu Recht verboten, nicht nur in Deutschland) und stellen uns einem felsigen Aufstieg. Jetzt wird über den Drehschalter auf der Mittelkonsole die Geländeuntersetzung aktiviert. Auf dem 12,4 Zoll großen Touchscreen-Monitor des Sync4-Systems sperre ich zudem die Differenziale an beiden Achsen (das vordere ist neu), zudem wird der Fahrmodus „Felsenklettern“ (Rock Crawling) ausgewählt.

V6-Benziner und Klappenauspuff

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

Der neue V6-Benzinmotor nutzt seine bis zu 491 Newtonmeter Drehmomeht, um sich auf große Steine zu wuchten. Achsverschränkung uns stabile Geländebereifung helfen hier ebenso wie die Bodenfreiheit von 27 Zentimetern. Leider fehlt eine Kamera am Fahrzugboden mit scheinbar durchsichtiger Motorhaube, wie es bei Land Rover der Fall ist. So könnte man stets sehen, ob man vom Felsen abzurutschen droht oder der Reifen sicher steht. So muss sich leider Pietro die Schuhe schmutzig machen (und Matthias, der mit der Videokamera mitklettert), um Einweisungen zu geben.

Nach ein paar Stunden im Gelände zeigt der Ford Ranger Raptor, dass er nicht nur ziemlich konkurrenzlos ist, sondern in der Tat zwei Autos in einem bietet. Auf der einen Seite ist er ein Sportgerät. Auf der anderen ein alltagstauglicher Pick-up mit Doppelkabine und Platz für die Familie.
Wie er hier performt, zeigt sich jetzt. Wir biegen zur Grundstücksausfahrt ab und nehmen Asphalt unter die grobstolligen BF-Goodrich-Reifen. Die spürt man auch dann leicht, wenn sie sich der letzten Steine und Schlammpackungen entledigt haben. Allzu starke Abrollvibrationen gleicht das schluckfreudige Fahrwerk aber gut aus. Wer kein SUV mit Luftfederung erwartet, dürfte mit dem Komfort des Ranger Raptor zufrieden sein.

Offroad oder Straße? Beides

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

Der V6-Benziner grummelt entspannt vor sich hin, wirkt auch im Sport-Modus der Klappenabgasanlage nie zu aufdringlich. Der Dreiliter mit 215 kW / 292 PS ist eine Neuheit im Ford Ranger Raptor. Und der Diesel? Bitte weiterlesen, denn die Überschrift dieses Fahrberichts bezieht sich nicht nur auf das Wesen des Pick-ups.

Die Verbrauchswerte im Bordcomputer fallen nach dem Offroad-Einsatz. Am Ende des Tages sind es auf der Straße 15,5 Liter pro 100 Kilometer. Das liegt nur leicht über den 13,6 Litern WLTP-Normverbrauch, zeigt aber dennoch, dass der Ranger Raptor nicht unter dem Deckmantel eines Klimaschutzprogramms entwickelt wurde.

Der Chef betritt zuerst den Ring

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

Die zivileren Modellvarianten kommen als Diesel mit vier (170 und 205 PS) und sechs Zylindern (240 PS) Ab Anfang 2023. Gebaut werden sie in Südafrika, gemeinsam mit dem VW Amarok. Der wird in Zukunft auf dem Ford Ranger basieren, nutzt auch dessen Motoren. Der Ranger Raptor bleibt aber eine Besonderheit des Originals, läuft in einem Werk in Thailand vom Band. Hier wurde schon früher auf die neue Modellgeneration gewechselt, weshalb der Raptor einige Monate vor den anderen Varianten auf den Markt kommt.

Das kostet der Raptor

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

Ähnlich anspruchsvoll die Geländeeigenschaften, Antrieb und Sound ist auch der Preis. 79.432,50 Euro (inklusive Mehrwertsteuer, Stand November 2022) kostet der Ford Ranger Raptor. Dafür bekommt man eine komplette Ausstattung. Navigationssystem, Smartphone-Integration, ein 640W-Soundsystem, adaptive LED-Scheinwerfer und viele moderne Fahrassistenten von der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage bis hin zum Parkassistenten gehören zur Serienausstattung.

Auch eine abnehmbare Anhängerkupplung ist dabei. Die Anhängelast des Ranger Raptor liegt bei 2,5 Tonnen. Das sind 1.000 Kilogramm weniger als beim Rest der Modellpalette, da der Raptor aufgrund seiner speziellen Fahrwerksabstimmung sonst am Heck zu tief eintauchen würde.

Und der Diesel?

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

„Aus eins mach zwei“ wird aufgelöst. Bisher gab es den Ford Ranger Raptor mit einem 213 PS starken Vierzylinder-Selbstzünder. Das neue Modell startet als V6-Benziner. Am März 2023 (Auslieferung ab Mitte 2023) wird man das Sportmodell aber erstmals auch in einer zweiten Motorvariante bestellen können: Als Zweiliter-Diesel mit 205 PS, ebenfalls mit Zehngang-Automatik.

Ob auch er mit Klappenauspuff kommt und wie sich der Sound des Raptor dann gestaltet, wird spannend. Das Drehmoment allein dürfte kein Kaufgrund für den Diesel werden. Es liegt mit 500 Newtonmetern nur knapp über dem Benziner. Der Preis des Pick-ups dürfte aber deutlich sinken.

Fazit

Ford Ranger Raptor V6 Benzin Test Fahrbericht Video Fotos Code Orange 2023

Im Magazin „Autos, die die Welt nicht braucht“ wäre dem Ford Ranger Raptor der Leitartikel sicher. Den könnte man dann für „Autos, die man unbedingt haben will“ kopieren. Als extremer Grenzgänger ist der Ford Ranger Raptor nicht nur ein ganz spezielles Angebot für Fans des Besonderen, sondern verschiebt auch abseits der Straße Horizonte – und selbst gesetzte Tempolimits.

Was kostet jetzt noch Überwindung? Beispielsweise das Ausblenden der Überdosis Adrenalin an diesem Tag, wenn ich 2023 die braven Ranger-Varianten testen werde…

Technische Daten

Ford Ranger Raptor V6 EcoBoost

Antrieb permanenter Allradantrieb
Hubraum 2.956 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder V6
Maximale Leistung kW / PS 215 kW / 292 PS bei 5.500 U/min
Max. Drehmoment 491 Nm bei 2.300 U/min
Getriebe 10-Gang-Automatik
Tankinhalt 80 Liter
Beschleuningung 0-100 km/h 7,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 180 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 13,6 Liter, 310g CO2/km
Reifenmarke und –format des Testwagens GF Goodrich 286/70 R17
Leergewicht 2.454 kg
Anhängelast (gebremst) 2.500 kg
Länge / Breite / Höhe 5.360 / 2.028 / 1.926 mm
Grundpreis 79.432,50 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Matthias Gill, Bernd Conrad