Im 3,5 Tonnen - Wohnmobil unterwegs. Reicht der Platz für vier Personen?
Dem Thema Wohnmobile hat sich AUTONOTIZEN bisher von zwei Seiten genähert. Von oben mit dem Testbericht des Hymer B778 PremiumLine als dreiachsigem Vertreter größerer Vollintegrierter (darüber gibt es noch die Klasse der Liner). Und in Sachen Größe (nicht preislich!) von unten mit dem Freizeitbus Mercedes-Benz Marco Polo . Zeit für ein Herantasten an die Welt dazwischen, vielleicht findet sich ja die goldene Mitte.
Mit dem Hymer Exsis-i 588 tritt ein vollintegriertes Reismobil an, das mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen ohne Probleme von allen Inhabern eines PKW-Führerscheins, egal ob alte Klasse 3 oder aktuelle Klasse B, gefahren werden kann. Mit sieben Metern Länge ist der große Kasten auch noch ansatzweise Stadttauglich, wobei man auch mit dieser Länge, einer Breite von 2,22 Metern und 2,77 Metern in der Höhe seine Routen vor der Abfahrt zumindest mal durchdenken sollte.
Der automobile Aspekt ist schnell abgehakt. Auch unter diesem mobilen Heim steckt ein Fiat Ducato. Die Italiener sind in der Wohnmobilbranche der unangefochtene Marktführer, was der Grund dafür ist, dass der Ducato „in der Saison“ stets in die Top 50 der PKW-Neuzulassungen fährt. Der neue Mercedes Sprinter sowie das Duo VW Crafter / MAN TGE sorgt langsam für ein bisschen spürbaren Wettbewerb und auch Ford will neu angreifen.
Im Testwagen steckt die mittlere Leistungsstufe des 2,3 Liter-Dieselmotors mit 110 kW / 150 PS. Damit zeigt sich der Exsis-i 588 nicht nur leer, sondern auch beladen und mit vier Personen besetzt ausreichend motorisiert. Selbst das Ausscheren aus einer LKW-Kolonne an längeren Autobahnsteigungen ist damit ohne Lichthupengewitter möglich. 142 km/h Höchstgeschwindigkeit erzählt das Hymer-Datenblatt. Dann steigt aber nicht nur der Verbrauch, sondern auch die Nervosität vor allem bei Seitenwind. 110 bis 120 km/h sind eine gute Reisegeschwindigkeit mit dem Hymer.
Auf den Vordersitzen thront man weit hinter der riesigen Windschutzscheibe recht bequem, aber wieder zeigen die Sitzplätze drei und vier, dass Familien wohl noch nicht so richtig als Zielgruppe anvisiert werden. Zwei Kindersitze lassen sich nur mit Ach und Krach, mit Verrenkungen und der Demontage der Seitenkissen angurten, aber der äußere Sitz steht gefährlich nah am Rand. Eine modular verbreiterbare Sitzbank für die Fahrt in den Urlaub könnte doch eine prima Lösung sein, die den Wohnkomfort nicht einschränkt.
Womit wir beim eigentlichen Zweck des Wagens angekommen sind. Lassen Sie es mich gleich vorweg nehmen: Im sieben Meter langen Exsis-i 588 hat es der vierköpfigen Familie um Vergleich zum 1,60 Meter längeren B-Modell in keinster Weise an Platz gefehlt. Dusche, Waschbecken und Toilette sind im Exsis-i 588 in einem kleinen Raum zusammengefasst. Damit kommt man zurecht, vor allem wenn man an einem Campingplatz doch meist die Waschmöglichkeiten der Anlage nutzt, was im Sommer auch für bessere Luft (womit die Feuchtigkeit gemeint ist!) im Wohnmobil sorgt.
Die Küchenzeile mit ausklappbarer Arbeitsplattenverlängerung (nochmals schöne Grüße an die Sitzbank) bietet einen Gasherd mit drei Flammen, das sollte für die meisten Menüwunsch ausreichen. Direkt daneben kann im ausreichend großen Waschbecken gespült werden. Nur den Ablauf kann man mit ein bisschen Fett oder Speiseöl im Wasser nicht mehr öffnen, am sich nach oben verjüngenden Metallstöpsel rutschen die Finger immer ab.
Was entspannt Körper und Geist danach? Richtig, schlafen. Im Heck befinden sich zwei Einzelbetten mit Trittstufen dazwischen. Wer nachts nicht so oft raus muss und / oder sich noch liebhat, kann die Fläche mit ein paar Handgriffen zu einem großen Doppelbett umbauen. Die Matratzen sind zwei Meter lang. Für den 1,92 Meter großen Autor also ein etwas kurze Angelegenheit, aber leicht quer liegend ging das prima. Nur der geringe Abstand zwischen Liegefläche bzw. Kopfkissen und den geräumigen Dachschrankfächern sorgte für die ein oder andere Kopfnuss beim nächtlichen Umdrehen.
Über dem Fahrerhaus befindet sich ein weiteres Bett mit 1,50 auf zwei Metern Liegefläche, das einfach heruntergeklappt werden kann. Das ist der Vorteil des vollintegrierten Reisemobils, der teilintegrierte Exsis-t bietet diese Möglichkeit nicht. Das original Ducato-Fahrerhaus ist eben schmaler.
Schlafen, Kochen und Essen sowie Körperpflege funktionieren also sehr gut und ohne Abstriche zum größeren Wohnmobil. Nur auf ein paar Staumöglichkeiten muss die Reisegruppe verzichten. Das kann für Ganzjahrescamper, die für alle Wetterkapriolen gewappnet sein wollen, ein Argument sein. Im Sommer 2018 mit maximaler Reduktion der textilen Körperabdeckung blieb aber auch im Exsis-i 588 noch das ein oder andere Schrankfach leer, dafür passt das Wohnmobil in alle Campingplätze und wird nicht, wie es bei längeren Fahrzeugen durchaus mal der Fall sein kann, beim Check-in freundlich abgewiesen.
Spätestens beim Rangieren in die Parzelle vermisst man eine Rückfahrkamera. Der Testwagen verzichtet auf Extras, die den Schwerpunkt nach oben verschieben und damit die Fahrdynamik beeinflussen, um bei Vergleichsfahrten gut dazustehen. Ohne Einweisung durch eine weitere Person ist das Zurücksetzen als gefährlich. Außerdem sollten Käufer nicht auf eine Klimaanlage für den Wohnbereich verzichten. Es wurde knackig warm, auch nachts. Tagsüber brannte die Sonne direkt vor den Hymer, da auch keine Markise montiert war. Damit wären die wichtigsten Zubehörtipps aus einer langen Aufpreisliste abgehakt.
Niemand, der sich ein solches Wohnmobil kauft, muss aber auf den letzten Euro schauen. Denn Camping als günstigere Urlaubsalternative zu Hotels oder Ferienwohnungen funktioniert in dieser Größenordnung nicht mehr. Neben den Stellplatzgebühren auf Campingplätzen dürfte sich vor allem der Kaufpreis erst nach etlichen Jahren amortisieren. 72.990 Euro kostet der Exsis-i 588 in seiner Basisversion. Das Testmobil mit dem stärkeren Motor und einigen Wohnextras, aber eben ohne Klima, Markise und Rückfahrkamera, verlangt laut Liste schon nach über 81.000 Euro.
Das Fazit nach dem Ausflug im Hymer Exsis-i 588: Mehr braucht man nicht. Die Vorteile im Handling, den Fahrleistungen und der Kompatibilität mit dem Führerschein im Vergleich zu größeren Fahrzeugen überwiegen, daran können die leichten Platzdefizite nur sanft kratzen. Einzig die Bettenlänge sollte jeder Wohnmobilinteressent ausgiebig testen, bevor er sich für eine Marke und ein Modell entscheidet.
Wenn Fiat Professional als Lieferant des Basisfahrzeugs es jetzt noch schafft, moderne Fahrassistenzsysteme wie eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage und einen Spurhalteassistent für den Ducato anzubieten, kann man auch an der technischen Basis lange Freude haben. Für die Navigation haben wir auf das neue TomTom Go Camper vertraut. Hier lassen sich die Fahrzeugmaße zur optimalen Routenplanung eingeben, mit einer App kann man zudem POIs wie Camping- und Stellplätze entdecken. Wichtiger ist aber die zuverlässige Echtzeit-Verkehrsinformation.
Technische Daten
Hymer Exsis-i 588 auf Basis Fiat Ducato |
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Hubraum | 2.287 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS bei 3.600 U/min |
Max. Drehmoment | 380 Nm bei 1.500 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Höchstgeschwindigkeit | 142 km/h |
Verbrauch real auf 100km | 10,5 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Agilis Camping 225/75 R 16 CP |
Leergewicht | 2.840 kg |
Länge / Breite / Höhe | 6,99 / 2,22 / 2,77 Meter |
Grundpreis | 72.990 Euro |
Testwagenpreis | 81.255 Euro |