Der Kia EV6 im Wintertest mit Video-Review. Was verbraucht das Elektroauto? Wie schnell kann geladen werden? Und was kann die Fahrassistenz?
Die 130 war vor der letzten Bundestagswahl mal wieder ein Thema und ist es, überraschenderweise, seitdem nicht mehr. Beim Wintertest mit dem Kia EV6 bremst sie uns aber doch nochmal aus. Dazu später mehr.
Der EV6-Wintertest im Video
Das Elektroauto der koreanischen Marke, das sich die E-GMP genannte Architektur mit dem Hyundai Ioniq 5 und dem kommenden Genesis GV60 teilt, konnte im Fahrbericht bereits seine Qualitäten unter Beweis stellen. Vor allem der effiziente Antrieb und die dank 800-Volt-Technologie hohe Ladeleistung von bis zu 240 kW grenzen den Kia EV6, gemeinsam mit seinen Konzernbrüdern, von den Mitbewerbern ab.
Wie funktioniert das im Alltag? Das wollten wir herausfinden. Mitten im Winter rollte der Kia EV6 in der Konfiguration mit 77,4-kWh-Akku und Heckantrieb (168 kW / 229 PS) an. In der Ausstattungslinie GT-Line, mit „Assist+ Paket“ (Head-up Display, Park-Fernbedienung, Rundumsichtkameras und Totwinkelanzeige im Instrumentendisplay), Soundsystem, Metalliclackierung und optionaler Wärmepumpe kostet der 4,70 lange Koreaner so 59.400 Euro vor Abzug der Umweltprämie.
Verbrauch um 20 kWh je 100 km
Wir waren meist im Eco-Fahrmodus unterwegs und nahmen Ortsdurchfahrten sowie Landstraßen im Speckgürtel oder Großstadt, innerstädtischen Verkehr und auch längere Autobahnabschnitte unter die Räder. Dabei wurde kaum schneller als 130 km/h gefahren, um den Verbrauch nicht unnötig steigen zu lassen und einen etwaigen Zeitgewinn durch das Warten am Schnelllader aufzuzehren.
Von der Normangabe, die mit 19-Zoll-(Sommer)bereifung einen Wert von 16,5 kWh je 100 Kilometer in Aussicht stellt, war der EV6 stets entfernt. Aber nicht allzu weit. Bei Temperaturen im leichten Plus-Bereich begnügte sich der Kia EV6 mit etwa 20 kWh je 100 Kilometer. Nach einem Wintereinbruch und kälteren Temperaturen – nachts deutlich im Minus-Bereich und tagsüber um den Gefrierpunkt – stieg der Verbrauch bei gleichem Fahrprofil leicht auf 22,4 kWh / 100 Kilometer. Diese Steigerung liegt absolut im Rahmen. Andere Elektroautos, wie zuletzt der Aiways U5 haben in der Kälte einen deutlicher gestiegenen Elektronen-Hunger.
Maximal 130 kW am Schnelllader
Die Innenraumtemperatur war stets auf 20 Grad eingestellt, dazu Sitz- und Lenkradheizung aktiviert. Die „Heat“-Funktion im Klimamenü wurde bei Bedarf genutzt. Der Komfort für Fahrer und Passagiere stand also im Vordergrund, keine Askese. 528 Kilometer Reichweite, wie es der Prospekt verspricht, konnten so zwar nicht erreicht werden. Mit bis zu 345 Kilometern im Alltag kann man aber gut leben und Ladestopps entsprechend planen.
An der Wechselstrom-Ladesäule lädt der EV6 dreiphasig mit maximal 10,5 kW. Auf der Anzeige der Ladesäulen stieg diese Zahl stets direkt auf 10,9 kW und verharrte dann dort über den Zeitraum des Ladevorgangs.
Am Schnelllader limitierte sich der Kia EV6 auf die oben angesprochenen 130. Denn mehr als 130 kW waren auch bei mehrfachen Versuchen nicht machbar. Nach Autobahnfahrten über einen längeren Zeitraum, also keinem ganz kalten Akku, zeigt sich jedes Mal das gleiche Bild. Mit 15 bis 20 Prozent Ladezustand des Akkus stieg die Leistung direkt auf etwa 70 kW und verharrte dann dort. Bei knapp über 50 Prozent Ladezustand stieg die Leistung auf Werte knapp über 100 und dann auf maximal 130 kW, die eine Zeit lang gehalten wurden.
In etwa 35 Minuten war der Akku dann auf 80 Prozent Ladezustand geladen. Das ist ein an sich brauchbarer Wert, liegt aber deutlich unter den 18 Minuten für „10-bis-80“ und den 240 kW Ladeleistung, die Kia unter Idealbedingungen verspricht. Klar ist aber auch: Im Winter lässt sich das nicht erreichen. Jammern auf hohem Niveau also.
Schönwetter-Fahrassistenz
Und was kann die Fahrassistenz? Der Highway Driving Assist (HDA) übernimmt nicht nur das Halten von Tempo, Abstand und Spurführung. Wenn die Nebenspur frei ist und der Fahrer den Blinker setzt, übernimmt das Fahrzeug auch teilautomatisiert den Spurwechsel.
Das funktioniert stets zuverlässig, sobald kein Schneetreiben dem Spaß einen Strich durch die Rechnung macht. Wenn die Verkehrszeichenerkennung halb eingeschneite Schilderbrücken nicht erkennt, kann das Auto natürlich nichts dafür. Störend ist aber die Position des Radarsensors tief im vorderen Stoßfänger. Hier sammelt sich nach wenigen Kilometern so viel Schnee, Eis und Schmutz, dass das Assistenzsystem mangels Orientierung die Arbeit einstellt.
Wann das mit den Türgriffen passiert, muss die Zeit zeigen. Beim Entriegeln des Autos klappen sie elektrisch aus und fahren dann wieder ein, um bündig mit der Karosserie abzuschließen. Eis und Schnee verhindert das natürlich. Aber auch beim penibel gereinigten Auto zeigte sich, dass beide Türgriffe auf der Beifahrerseite beim noch jungen Testwagen nicht mehr ganz einklappten. Das und eine leicht knarzende Mittelkonsole trüben das Bild der ansonsten guten Verarbeitung.
Fazit
Auch bei winterlichen Bedingungen bietet der Kia EV6 mit großem 77,4-kWh-Akku (optional) und effizientem Antrieb eine ordentliche Reichweite. Die Traktionskontrolle beseitigt Bedenken wegen des Heckantriebs auch auf rutschigen Straßen mit guter Regelakrobatik.
Die Ladeleistung von maximal 240 kW wurde weit verfehlt, es waren maximal 130 kW am Schnelllader möglich. Spannend wird, wie viele Winter die ausklappbaren Türgriffe er- und überleben.
Technische Daten
Kia EV6 77,4 kW RWD GT-Line |
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Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 168 kW / 229 PS |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 350 Nm |
Batterie | 77,4 kWh Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 240 kW |
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test | 130 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 10,5 kW |
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test | 10,9 kW |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 185 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 16,5 kWh |
Verbrauch real auf 100km | 19,9 - 22,4 kWh |
Leergewicht | 2.075 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.600 kg, Stützlast 100 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.695 / 1.890 / 1.550 mm |
Grundpreis | 54.990 Euro |
Testwagenpreis | 59.400 Euro |