Erste Fahrt im neuen Land Rover Defender. Nicht nur auf der Straße, auch im Gelände.
Man kann es nie allen recht machen – schon gar nicht, wenn es um das Erbe einer Ikone geht. Der VW (New Beetle) kam bei trendbewussten Kaliforniern besser an als bei den Käferfreunden in Deutschland, auch der Fiat 124 Spider konnte nicht wirklich bei den Fans des klassischen Roadsters punkten. Besser funktioniert das mit Zitaten der britischen Automobilgeschichte, siehe Mini.
Über 70 Jahre nach dem ersten Auftritt des „Land Rover Series 1“ und drei Jahre nach dem Produktionsende des dann schon Land Rover Defender genannten Geländewagen-Urgesteins tritt jetzt der rundum neuentwickelte Defender an, Fans und neue Kunden gleichermaßen zu gewinnen.
Marktstart mit dem Defender 110
Über das Design ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Der Defender wirkt eigenständig und modern. Gleichzeitig schimmert die Marken- und Modelltradition durch jede Pore, ohne dass er sich wirklich an Retroelementen zu schaffen macht. Ein Kompliment an die Designer, auch für den klaren Innenraum.
On- und offroad im Video-Review
Auf 5,02 Meter streckt sich der fünftürige Land Rover Defender 110, der ab 20. Juni 2020 beim Händler stehen wird. Die kürzere Version mit drei Türen, Defender 90 genannt, folgt mit etwas Zeitverzug. Vor allem in der Langversion ist der neue Defender mehr als nur ein Geländewagen – er ist drei Autos in einem:
- Ein kompetenter Offroader, der viele Mitbewerber in den Schatten stellen will
- Ein komfortables Reiseauto, wir rufen die Vokabel SUV in den Raum!
- Ein Campervan-Ersatz. Mit Dachzelt samt Leiter, alles im Zubehör zu haben.
Zum ersten Kennenlernen auf der Straße stand der Land Rover Defender P400 MHEV bereit. Unter seiner mannshohen Motorhaube steckt ein seidenweich laufender Reihensechszylinder-Benziner mit 294 kW / 400 PS und 550 Newtonmetern maximalem Drehmoment.
Spätestens, wenn der rechte Fuß an der Ortsausfahrt nach unten gedrückt wird, erstaunt die Kraft des Motors. Er wuchtet den 2,5 Tonnen schweren Defender nach vorne, als ob er ein Staubkorn vom Tisch fegen müsste. Auch der Riemenstartergenerator des 48-Volt-Mildhybrids hilft hier mit, bevor der Turbolader sein volles Potenzial entfalten kann. Umso erstaunlicher ist die Gedenksekunde, um die man sich von der Achtgang-Automatik bitten lassen muss.
Luftfederung serienmäßig
Die beim Defender 110 serienmäßige Luftfederung sorgt, nicht nur aber vor allem, im Komfort-Modus für exzellente Reisequalitäten hier oben in der ersten Etage. Man blickt auf SUV und viele Fahrer von Kleintransportern herab, kann also gefühlt schon etwas hinter deren Horizont entdecken.
Wenn auf dem Weg dorthin die Straße ausgeht, sollte das den Defender-Piloten nicht stören. Umstieg in einen zweiten Testwagen, dieses Mal als D240 mit einem 177 kW / 240 PS starken Zweiliter-Turbodiesel mit vier Zylindern ausgestattet.
"Durchsichtige Motorhaube"
Im Offroad-Modus mit aktivierter Untersetzung geht es in den Steinbruch – ein ausgewiesenes und damit legal befahrbares Offroad-Gelände. Das Terrain Response 2 – System sortiert die maximal 430 Newtonmeter des entspannt grummelnden Selbstzünders kompetent. Mit der höchsten Stellung des Luftfahrwerks und über 29 Zentimetern Bodenfreiheit klettert der Defender über große Steine, auf Berge hinauf und – mit der Bergabfahrhilfe eingebremst – auch steile Abfahrten hinunter. 90 Zentimeter Wattiefe erlauben auch tiefere Wasserdurchfahrten.
Blickt man auf nichts als Himmel (nämlich dann, wenn es steil bergauf geht), zeigt das Assistenzsystem „ClearSight Ground View“, was sich dem menschlichen Auge entzieht. Kameras an der Front übertragen Bilder vom Untergrund vor dem Auto auf den Monitor des Infotainmentsystems, die Motorhaube wird damit „durchsichtig“. Man weiß also, ob wo man hinfährt, was sich hinter der Kuppe verbirgt.
Mit maximal 50 Zentimetern Achsverschränkung und kurzen Überhängen an Front und Heck für einen maximalen Böschungswinkel überlassen Fahrwerk und Karosserie des Defender nichts dem Zufall. Auf ebener Strecke zieht er zudem maximal 3,5 Tonnen schwere Anhänger.
Schade, dass gerade heute einer dieser Tage ist, an denen die Zeit viel zu schnell vergeht. Irgendwann wollen die bei Land Rover ihr Auto zurück, ich müsste mal dringend die Schuhe saubermachen (vom Auto ganz zu schweigen).
Das kostet der neue Defender
Auf dem Rückweg bleibt Zeit, die eigene Kreditwürdigkeit bei der Hausbank zu hinterfragen. Ab 49.700 Euro steht der kurze Defender 90 in der Preisliste, der Defender 110 kostet mit serienmäßiger Luftfederung ab 55.600 Euro, beide mit dem 200 PS-Basisdiesel. Mit 240 PS sind es mindestens 53.900 bzw. 59.800 Euro und der famose P400 Sechszylinder verlangt nach mindestens 63.000 / 68.900 Euro. Von den Ausstattungslinien, Paketen und allerlei Optionen ganz zu schweigen.
Fazit zum Land Rover Defender
Man muss dem Ur-Defender gar nicht hinterhertrauern, um vom neuen Offroader der Marke Land Rover begeistert zu sein. Der neue Defender ist mit Größe und Design ein optisches Statement, liefert dazu modernste Technik, ohne aber seinen rustikalen Kern zu verwässern.
Seine Multifunktionalität macht ihn zum Auto für alles, die heftigen Preise aber nicht zum Auto für alle. Sagt bestimmt mein Bankberater…
Technische Daten
Land Rover Defender 110 D240 // P400 |
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Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Hubraum | 1.999 // 2.996 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe // 6 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 177 kW / 240 PS // 294 kW / 400 PS |
Max. Drehmoment | 430 Nm bei 1.400 U/min // 550 Nm bei 2.000 - 5.000 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 9,1 // 6,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 188 // 191 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 7,6-7,7 // 9,6-9,9 Liter |
Leergewicht | 2.380 // 2.418 kg |
Anhängelast (gebremst) | 3.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.018 / 2.008 / 1.967 mm |
Grundpreis | 59.800 // 68.900 Euro |