Entspannung pur im Lexus ES 300h mit Hybridantrieb.
Bescheidenheit beginnt bei Lexus schon in der Kundenansprache. Wer Informationsmaterial zum ES 300h anfordert, erfährt im Anschreiben, dass dieser „den Begriff der Mittelklasse-Limousine“ neu interpretiert. Dabei handelt es sich um ein fast 4,98 Meter langes Auto, dass damit am allerobersten Ende dieser Kategorie an der Tür zur Oberklasse kratzt.
Über 2,3 Millionen ES haben die Japaner seit dem Start der ersten Generation im Jahr 1989 verkauft, die meisten davon in den USA. In Europa ist der Lexus ES eine neue Baureihe, kam im Frühjahr 2019 auf den Markt. Kurz vorher lief der ähnlich große Lexus GS mit Hinterradantrieb aus, gleichwohl ist der ES mit Vorderradantrieb höchstens ein legitimer Nachfolger. Er basiert auf dem TNGA-Baukasten (Toyota New Global Architecture) und teilt sich darin die Plattform mit dem ebenfalls neu aufgelegten Toyota Camry.
Nachdem die Hintergründe geklärt wurden, können wir mit dem Programm zum Stressabbau beginnen. Es startet, sobald man die Tür des äußerlich sehr sportlich auftretenden Lexus ES 300h (im Katalog wird Lexus dann weniger bescheiden, spricht von „provokanter Eleganz“) öffnet und hineingleitet.
Bequeme Sitze und verschwenderisch viel Raum auf allen Plätzen stehen bereit, hochwertige Materialien in einer braun-grau-beigen Farbwelt sorgen für Wohnzimmeratmosphäre. Und wie dort haben sie auch in den Lexus einen großen Flachbildschirm hineingestellt.
Entspannung pur
12,3 Zoll misst das mächtige Infotainmentdisplay in der maximalen Ausbaustufe der Luxury Line, die übrigen Varianten kommen mit acht Zoll Bildschirmdiagonale aus. Die Software kann da leider nicht ganz mithalten. Die Karte des Navigationssystems wirkt etwas angestaubt, die Sprachsteuerung hangelt sich durch vorgegebene Befehlsstrukturen und auch im Lexus ES 300h fehlt noch die Kopplung des Smartphones via Apple CarPlay und Android Auto. Doch das dürfte sich bald ändern, Konzernmutter Toyota stattet erste Modelle wie den neuen C-HR jetzt damit aus.
Nicht aufregen, wir sind ja zur Entspannung hier. Und die kommt spätestens mit dem Druck auf den Startknopf. „Ready“ leuchtet grün im digitalen Kombiinstrument, das kennt man seit dem ersten Prius. Der Hybrid stromert lautlos nicht nur vom Hof, sondern bei idealen Voraussetzungen der Außentemperatur und des Batterieladezustandes auch durch den Vorort.
Hybrid mit 5,5 Liter Testverbrauch
Am besten stellt man auf dem großen Display die Energieflussanzeige ein. Nicht nur, weil man das völlig ruckfreie Zuschalten des 2,5 Liter großen Vierzylinder-Benziners sonst kaum mitbekommt, sondern für die eigene Achtsamkeit. Jede Zärtlichkeit beim Streicheln des Gaspedals wird mit einem blauen Band angezeigt, Energie wird rekuperiert und fließt in die Batterie.
Dabei ist man aber kein Verkehrshindernis. Der maximal 88 kW starke Elektromotor ist für die große Limousine ausreichend dimensioniert, Innerorts fährt man bald die meiste Zeit elektrisch. Im Fernvergleich mit den kompakteren Hybridmodellen Toyota Corolla und dem schon erwähnten C-HR harmonieren die beiden Antriebe im großen Lexus nochmals besser. Der 178 PS starke Benziner des ES 300h kommt seltener und dann effizienter zum Einsatz.
5,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer wurden im Testalltag erreicht, ein halber Liter unter dem Wert des Toyota Corolla 2.0 Hybrid. Vom gleichen Fahrer. Der niedrige Verbrauch des Lexus wurde im gemischten Betrieb eingefahren, meist über Land, ab und zu in der Stadt aber auch auf Autobahnetappen. Hier lässt das stufenlose Getriebe den Motor bei über 6.000 Umdrehungen verharren, während das Auto beschleunigt. Bei 180 km/h (Tacho 190) fährt der Lexus sanft in den Begrenzer, mehr wird zum Schutz des Elektromotors nicht ermöglicht. Wer es derart eilig hat, tankt nach 100 Kilometern knapp 10 Liter nach.
Grandioses Soundsystem
Schnell findet man aber seinen Platz im Bereich knapp unter Richtgeschwindigkeit, aktiviert die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage und den Spurthalteassistenten mit sanftem Lenkeingriff. Die doppelte Seitenverglasung hält Wind- und sonstige Geräusche fern und man genießt die Ruhe.
Fast schon frevelhaft erscheint da der Wunsch nach musikalischer Untermalung. Zu verlockend ist aber das grandiose Soundsystem von Mark Levinson mit 17 Lautsprechern. Auch hier folgt Lexus einer speziellen Philosophie. Man kann Höhen, Mitten und Tiefen einstellen, mehr aber auch nicht. Auf den ersten Metern denkt man „da muss doch mehr Bass“ und erkennt dann den ausgewogenen und klaren Klang der Anlage. Sie liefert ordentlich Druck, ohne zu nerven. Passt also prima zum Auto.
Zurück zum Auto: Maximal 18 Zoll große Räder schrauben die Japaner an den Lexus ES 300h, nur der sportlich auftretende F Sport hat 19-Zöller. Und adaptive Dämpfer. Die gibt es für das Modell Luxury Line und die übrigen Ausstattungsvarianten nicht, sind aber auch nicht nötig. Satt liegt der große Wagen auf der Straße, federt Unebenheiten geflissentlich weg ohne je zu wanken oder zu schaukeln. Auch der Komfort bei langsamer Fahrt, zum Beispiel über Wurzelaufbrüche oder unebene Kreuzungen, ist hervorragend.
Selten bot ein Auto ohne einstellbare Dämpfer und ohne Massagesitze einen derart hohen Langstreckenkomfort. Beim Besuch von Tante Ursula (Namen und Personen sind frei erfunden) fragen also nicht nur die Kinder, sondern auch Mama oder Papa mit dem Autoschlüssel in der Hosentasche ungeduldig: „Wann fahren wir wieder?“
Preise knapp unter BMW und Co.
Ab 48.200 Euro ist der Lexus ES 300h in der Basisversion zu haben. Für den mit Extras wie verstellbaren Lehnen im Fond, Navi, Matrix-LED-Scheinwerfern, dem Soundsystem und Lederausstattung vollgestopften Testwagen in der Luxury Line werden laut Preisliste 63.950 Euro fällig, einzige Optionen sind das Head-up-Display (1.500 Euro) und Metalliclackierung (1.000 Euro, Testwagen in Basaltgrau).
Vierzylinder-Benziner wie der Audi A6 45 TFSI (245 PS) BMW 520i (184 PS), Mercedes-Benz E200 (184 PS) sind mit vergleichbarer Ausstattung leicht teurer, dennoch gehört Selbstbewusstsein zur Wahl des Lexus. Wer seine innere Ruhe gefunden hat, schafft aber auch das. Im gemischten Fahralltag verbraucht der Japaner deutlich weniger Sprit und liegt mindestens auf dem Niveau der jeweiligen Dieselkollegen. Streng kalkulierende Fahrer von Firmenwagen dürften aber, Lademöglichkeit hin oder her, wegen der reduzierten Besteuerung eher zu einem Plug-in-Hybrid anstelle des Vollhybriden greifen.
Fazit zum Lexus ES 300h
Eingebautes Tempolimit durch die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit? Das regt höchstens die Kollegen am Stammtisch auf. Wer sich auf das Wesen des Lexus ES 300h einlässt, erfährt bald eine neue Reisekultur. Entspanntes Cruisen ohne Langeweile und viel Ruhe auf dem Weg zum Ziel. Dort kommt man auch nicht später an als die Hektiker. Denn trotz des nur 50 Liter großen Tanks muss man einfach seltener zum Boxenstopp.
Wenn man sich jetzt noch was wünschen darf, sind es trotz aller Bequemlichkeit Massagesitze. Und ein moderneres Infotainmentsystem. Es muss ja Gründe geben, warum ein ES 300h spätestens dann nochmal zum Test anrücken soll.
Technische Daten
Lexus ES 300h Luxury Line |
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Hubraum | 2.487 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 131 kW / 178 PS bei 5.700 U/min |
Max. Drehmoment | 221 Nm bei 3.600 bis 5.200 U/min |
Getriebe | stufenlose Automatik |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 88 kW (120 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 202 Nm |
Systemleistung: kW / PS | 160 kW / 218 PS |
Batterie | Nickel-Metallhybrid |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h (abgeregelt) |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,5 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 5,5 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Dunlop Winter Sport 5 235/45 R18 |
Leergewicht | 1.740 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.975 / 1.865 / 1.445 mm |
Grundpreis | 63.950 Euro |
Testwagenpreis | 66.450 Euro |