Ganz weit im Norden stand der neue Porsche Taycan 4S zur Probefahrt bereit.
Es ist 11:33 Uhr, als sich die Sonne mit einem orangefarbenen Lichtbalken am Horizont bemerkbar macht, kurz bevor sie für zwei Stunden Tageslicht vorbeischaut. 135 Kilometer nördlich des Polarkreises, in der Nähe des finnischen Wintersportzentrums Levi, sind die Tage im Dezember kurz und die Nächte lang.
Seit dem Morgen knirschen die Goodyear Ultra Grip über den Schnee, der die endlosen Nadelbaumwälder und die Straßen bedeckt. Es geht teils kilometerlang geradeaus. Die Matrix-LED-Scheinwerfer werden eine taghelle Lichtschneise in die Schwärze. Trotzdem muss man sich anstrengen, auch nach ein, zwei Stunden Fahrt noch die Nuancen und Unterschiede im omnipräsenten Schneeweiß zu erkennen.
Der Taycan 4S startet 2020
Als namentlich passender Farbtupfer ist der Testwagen in „Frozen Blue“ lackiert. Es handelt sich um einen Porsche Taycan 4S. Die neue Modellvariante des ersten elektrischen Porsche steht ab Anfang 2020 beim Händler. Wird es ihm gerecht, von einem neuen Einstiegsmodell zu sprechen? Das kommt auf den Blickwinkel an.
Im Gegensatz zu Taycan Turbo und Turbo S bietet Porsche den 4S mit zwei verschiedenen Batteriegrößen an. 390 kW (530 PS) leistet der Taycan 4S mit 79,2 kWh in der Spitze. Damit sind 2,5 Sekunden im Overboost bei aktivierter Launch Control gemeint. Dann stürmt die elektrische Sportlimousine in vier Sekunden auf 100 km/h. Das ist schnell. Aus Sicht des Turbo (3,2 Sekunden) und des Turbo S (2,8 Sekunden) gibt es aber noch gebührenden Respektabstand.
Bis zu 650 Nm Drehmoment
420 kW (571 PS) stellen die beiden permanenterregten Synchronmaschinen an Vorder- und Hinterachse mit der 93,4 kWh großen Lithium-Ionen-Batterie zur Verfügung. Ohne Overboost und Launch Control sind es beim Porsche Taycan 4S 320 kW (435 PS) bzw. 360 kW (490 PS), die der Elektroantrieb für maximal zehn Sekunden in 640 Nm bzw. 650 Nm in die Nackenmuskulatur massiert.
Und damit zurück aus der Welt nackter Zahlen in das hellblaue Auto. Hier genügt ein kleiner Zucker mit dem rechten Fuß und der Taycan katapultiert auch als 4S vehement nach vorne. Wer bislang nur Verbrenner gefahren ist, sollte sich spätestens jetzt konzentrieren.
Weil hier oben im Norden der Horizont dann doch irgendwie näher scheint als anderswo, sortieren wir uns schnell auf den tempolimitierten Landstraßen ein. Ganz geräuschlos fährt der Taycan hier nicht. Die Akustiker bei Porsche haben es geschafft, ein präsentes – aber niemals penetrantes – Fahrgeräusch zu komponieren. Wer mag, kann zusätzlich den „Electric Sport Sound“ aktivieren. Der bleibt jetzt aber aus.
Spätestens, wenn der Fahrmodus „Range“ für maximale Reichweite (und eine limitierte Leistungsabgabe) eingestellt ist, lullt dich der Taycan ein. Auf den bequemen Sportsitzen mit einstellbaren Seitenwangen können Stunden vergehen, ohne dass es zwickt und kneift.
Die vielfältig konfigurierbaren Anzeigen in den bis zu drei Displays im Armaturenbrett (dazu kommt ein weiteres für die Bedienung in der Mittelkonsole und je nach Ausstattung ein weiteres für die Klimaanlageneinstellung im geräumigen Fond) lenken nicht vom Fahrgeschehen ab. Alles findet sich zu einer Einheit. Das Curved Display hinter dem Lenkrad misst 16,8 Zoll. Drei Anzeigenbereiche zitieren die Tuben klassischer Posche-Cockpits, links und rechts daneben gibt es berührungsempfindliche Tastfelder. Hier kann man zum Beispiel die PSM genannte Stabilitätskontrolle ausschalten.
Querfahren mit E-Allrad
Dies ist freilich nur auf abgesperrtem Terrain zu empfehlen, und davon gibt es hier oben in Lappland reichlich. Auf Schnee und Eis zeigt der Posche Taycan 4S, was ihn ihm steckt. Eine prima Regelelektronik zum Beispiel. Die verteilt die Kraft zwischen den beiden Elektromotoren und damit zwischen den Achsen quasi in Echtzeit. Ein ganz sensibler „Fahrpedalfuß“ bringt den immerhin über 2,2 Tonnen schweren Taycan zum Querfahren. Das bauartbedingt sofort anliegende Drehmoment verzeiht dann aber keine Gedankenhänger, zudem muss sich das an Geräusche des Verbrenners gewohnte Ohr neu orientieren. Zum Beispiel an den Freudenrufen des Fahrers.
Sicheres Fahrverhalten
Auch ohne die in Finnland durchaus geläufigen Spikes krallt sich der Taycan förmlich in die Oberfläche. Wie gut er das kann, wird deutlich, wenn man aussteigt. Es ist spiegelglatt. Und das sollte man natürlich auch stets bedenken, wenn man bremsen muss. Denn trotz der Regelsysteme braucht ein Auto dann natürlich etwas länger bis es steht.
Auf den ausgiebigen Probefahrten durch die Polarluft musste keine Notbremsung eingeleitet werden, die optionale Keramikbremse blieb kaum gefordert. Das bedeutet auch, dass keine Rentiere oder Elche den Weg des Taycan kreuzten. Immerhin ein Fuchs blickte dem hellblauen Auto hinterher. Den sieht man auch bei uns ab und zu. Öfter wird man aber den Porsche Taycan vors Auge bekommen.
Fazit zum Porsche Taycan
Egal, welcher Antrieb unter der Hülle steckt. Porsche hat (auch) mit dem Taycan ein begehrenswertes Stück Automobilgeschichte auf die Räder gestellt. Design, Komfort und Performance wissen zu gefallen. Der Elektroantrieb ist beim Taycan nicht Mittel zum Zweck, sondern ein tolles Antriebskonzept mit hohen Reserven. Für Dauergrinsen reicht da auch schon der Taycan 4S, der den Einstiegpreis für die Baureihe auf 105.607 Euro senkt. Viel Geld, ja. Aber fast 50.000 Euro günstiger als ein Taycan Turbo.
Fakten über Finnland
Im nördlichsten Land der EU leben gut 5,5 Millionen Menschen (zum Vergleich: in Deutschland leben circa 82,7 Millionen Menschen). Schätzungen zufolge gibt es mit 2,3 Millionen Saunen rein rechnerisch eine Sauna je 2,4 Einwohner Finnlands. Das regelmäßige Schwitzen gehört dort zum Alltag. Kein Wunder bei langen, kalten und auch dunklen Wintermonaten.
75 Prozent der Landesfläche sind mit Wald bedeckt. Trotzdem ist Platz für rund 78.000 Kilometer Straßennetz. Nur 700 davon sind Autobahnen, auf denen ein Tempolimit von 120 km/h gilt. Auf größeren Landstraßen Finnlands darf man im Sommer 100 km/h fahren, ansonsten außerorts maximal 80 km/h und 50 innerorts.
Technische Daten
Porsche Taycan 4S mit Performance-Batterie Plus |
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Elektromotor: Maximale Leistung kW | 420 kW (bei Launch Control mit Overboost) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 360 kW (Maximalleistung für 10 Sekunden) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 650 Nm |
Batterie | 93,4 kWh Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 4,0 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 26,2 kWh (nach WLTP) |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 30,4 kWh (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Goodyear Ultra Grip 245/45 R20 v. / 285/40 R20 h. |
Leergewicht | 2.220 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.963 / 1.966 / 1.379 mm |
Grundpreis | 105.607 Euro |