Der neue Aiways U6 im ersten Check mit Sitzprobe, auch als Video-Review.
Erst die Pflicht an die Kür – so ähnlich könnte man auf den ersten Blick den Ausbau der Modellprogramms beim chinesischen Elektroautobauer Aiways erklären. Das erst 2017 gegründete Start-up brachte im Jahr 2020 mit dem U5 ein geräumiges Elektro-SUV in guter Qualität zum günstigen Preis auf den Markt. Jetzt folgt mit dem Aiways U6 der emotionale Bruder.
Der Aiways U6 im Video
Mit schräger SUV-Coupé-Karosserie und sportlichen Anbauteilen scheint sich der Aiways U6 vom pragmatischen Ansatz des U5 wegzubewegen. Mit knapp 4,81 Metern ist der fast 13 Zentimeter länger als das Steilheckmodell, dazu mit 1,64 Metern um sieben Zentimeter flacher. Während die geringere Höhe auf das Konto der neuen Dachlinie geht, sind für den Längenzuwachs einzig die neuen Stoßfänger an Front und Heck zuständig.
Ist der Aiways U6 unpraktischer als der U5? Um das herauszufinden, starten wir zur ersten Sitzprobe im Fließheckmodell. Dank unverändertem Radstand von 2,80 Metern freut man sich auch im Fon des U6 über üppigen Knieraum. Auch die Kopffreiheit ist überraschend üppig, wenngleich der 1,92 Meter große Autor dieser Zeilen bei aufrechter Sitzposition mit der Frisur ans Dach stößt.
Glasdach serienmäßig
Der geringe Höhenverlust im Vergleich zum U5 ist dennoch bemerkenswert, weil sich die angenehme Position der Rücksitzbank nicht geändert hat. In SUV-Coupés wie dem Porsche Cayenne sitzen die Passagiere in der zweiten Reihe tiefer als im Steilheck-Bruder. Der Kniff beim Aiways U6: Er kommt ab Werk mit einem fest eingebauten Panorama-Glasdach ohne Öffnungsfunktion. Das bringt einige Zentimeter Innenhöhe.
Etwas kleiner fällt der Kofferraum aus. 472 Liter schluckt das Gepäckabteil mit aufgestellter Rücksitzlehne, in den U5 passen knapp 500 Liter. Leider fehlt eine Federvorspannung zur Fernentriegelung, um Umklappen der geteilten Lehne muss man durch die Fondtüren ins Auto greifen. Dann passen bis zu 1.260 Liter ins Heck des Aiways U6.
Neues Cockpit, neues Infotainment
Den größten Neuheitenwert im Innenraum bieten das Cockpit. Das Lenkrad mit physischen Bedientasten ist neu, ebenso die Displaylandschaft. Anstelle von drei Displays reicht eine flache Anzeige mit 8,2 Zoll Diagonale, um den Fahrer mit relevanten Informationen zu Geschwindigkeit, Ladezustand des Akkus und Fahrassistenz zu versorgen. Auf der Mittelkonsole thront ein neues Touchscreen-Display im Format 14,6-Zoll. Eine neue Software soll die Bedienung erleichtern.
Das berührungsempfindliche Display reagiert zügig auf Befehle der Fingerkuppen, nach einer kurzen Einlernzeit kommt man mit dem Aufbau der Menüs zurecht. Auch bei Aiways ziehen jetzt moderne Goodies wie ein vielfältig einstellbares Ambientelicht mit diversen Grundstimmungen ein. Interessant und hilfreich: Die LED in der Innenverkleidung blinken, sobald man die Tür öffnet. Damit kann nachfolgender Verkehr gewarnt werden.
Neben Apple CarPlay soll auch Android Auto einziehen. Ein fest integriertes Navigationssystem gibt es bei Aiways auch weiterhin nicht. Die Routenführungs-Apps des Nutzer-Smartphones sollen mit der PUMP-App in Sachen Ladestoppplanung ein Team bilden. Auch die Mittelkonsole ist neu. Dominanter Blickfang ist hier der Getriebe-Wählhebel, der aus einem Flugzeug-Cockpit stammen könnte. Weiter rechts ein weiteres Novum: Erstmals gibt es bei Aiways ein richtiges Handschuhfach mit Deckel.
Elektromotor mit 160 kW
Unverändert ist der 63 kWh große Lithium-Ionen-Akku mit Zellen des Zulieferers CATL. Nach WLTP-Norm wird für den Aiways U5 eine Reichweite von 400 Kilometern angegeben. Wechselstrom kann dreiphasig mit bis zu 11 kW geladen werden, Gleichstrom am Schnelllader mit maximal 90 kW.
Neu ist der Elektromotor zum Antrieb der Vorderräder. Im Gegensatz zum Zulieferer-Bauteil im U5 hat Aiways für den U6 einen eigenen permanenterregten Synchronmotor entwickelt, der auch vom Unternehmen selbst produziert wird. Mit 160 kW (218 PS) ist er etwas stärker als das Aggregat im Steilheck-Modell (150 kW bzw. 204 PS), das Drehmoment liegt mit 315 Newtonmeter etwas höher (310 Nm im U5). Die Beschleunigung von null auf 100 km/h soll der Aiways U6 in 6,9 Sekunden erledigen, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 160 km/h elektronisch begrenzt.
Wie gewohnt wird man den Aiways U6 in ausgesuchten Filialen der Elektronik-Fachhandelskette Euronics ansehen und zur Probe fahren können, bestellt wird dann direkt beim Hersteller. Wartung und Service übernimmt ATU.
Die ersten Kundenautos dürften im ersten Quartal 2023 ausgeliefert werden. Der U6 wird nur in der Ausstattungslinie Prime angeboten und kostet 39.990 Euro netto, also 47.590 Euro inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer. Dieser Preis nicht nicht ganz zufällig kalkuliert, denn so bekommt man 2023 noch knapp die dann maximal mögliche Elektroauto-Förderung in Höhe von 6.500 Euro. Der Aiways U5 Prime ist deutlich günstiger als der leistungsstärkere U6. Das Steilheckmodell kostet als Prime aktuell 45.500 Euro.
Fazit
Der Aiways U6 behält die Tugenden, die den U5 ausmachen. Auch das SUV-Coupé ist sehr geräumig und wirkt gut verarbeitet. Die neue Infotainment-Software und größere Displays wirken deutlich frischer. Hier dürfte der Aiways U5 bei einem Facelift nachziehen. Ob der U6 mit dem neuen Elektromotor so dynamisch fährt, wie er aussieht, muss ein späterer Test klären.