GAC Aion

GAC Aion Wann kommen diese Chinesen?

14:38 Min.

Ein weiterer Hersteller will nach Europa: Wer ist GAC, was können Aion UT und Co.?

Wer denkt, er hätte jetzt den Überblick zu allen chinesischen Marken und Herstellern, die auf den europäischen Markt kommen wollen, muss schon wieder dazulernen. GAC bereitet sich für den Export von Elektroautos vor.

Der Staatskonzern, mit vollem Namen Guangzhou Automobile Corporation, wurde im Jahr 1997 in Guangzhou, einer Megacity mit rund 18,6 Millionen Einwohnern, gegründet. Neben dem Hauptsitz in China unterhält GAC Entwicklungsabteilungen in Los Angeles (USA), Mailand (Italien) und Shanghai (China). Parallel zum Aufbau der eigenen Produktion konnte GAC als lokaler Joint-Venture-Partner von Honda und Toyota Erfahrungen im Bereich der Industrialisierung einer Auto-Produktion sammeln.

Warten statt Fehler machen

Unter dem Konzern-Dach verkauft GAC auf dem Heimatmarkt Autos unter drei Marken: Trumpchi für Verbrenner und Hybride, HypTec für höher positionierte Elektroautos und Aion für elektrisch angetriebene Fahrzeuge im kleinen und mittleren Segment. Für die Expansion in Märkte außerhalb Chinas, darunter auch Europa, wird eine andere Strategie gefahren. GAC soll als Marke etabliert werden, darunter mit Aion eine (erste?) Produktlinie laufen. Hier dürfte man genau beobachtet haben, wie GWM (Great Wall Motor) die ursprüngliche Trennung von Ora und Wey in Europa kurz nach dem Verkaufsstart aufgehoben hat.

Beobachten, zuhören und analysieren – diese Aufgaben hat sich das GAC-Management zur Vorbereitung des Exports von Fahrzeugen nach Europa gestellt. „Wir wollen nicht die Fehler, die andere chinesische Marken beim Eintritt in den europäischen Markt begangen haben, wiederholen“, sagt Thomas Schemera Senior Vice President / Gobal COO (Chief Operating Officer) bei GAC Motor. Man will besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und dabei beispielsweise bei Vertrieb und Marketing sowie im Bereich After Sales solide Strukturen schaffen.

Dabei verwundert im Gespräch mit dem GAC-Management am Stammsitz Guangzhou, dass Antworten auf viele Fragen wenig präzise ausfallen. Noch ist nicht klar, ob man in Europa mit einem international agierenden Importeur oder lokalen Handelsgesellschaften zusammenarbeiten wird. Gleichzeitig wird ein Marktstart in Norwegen, Polen und Portugal schon im Frühjahr 2025 in Aussicht gestellt, später folgen weitere Märkte – darunter auch Deutschland. Den ersten Aufschlag gab es im Oktober 2024 auf der Messe Mondial de l´Auto in Paris.

AION V Fahrbericht

Das kompakte Elektro-SUV soll das erste GAC-Modell auf dem europäischen Markt werden. Im Herbst 2024 konnten wir ein Vorserienmodell bereits im ersten Fahrbericht vorstellen. Auf der Teststrecke von GAC in Foshan, eine knappe Autostunde außerhalb von Guangzhou, konnten nochmals Eindrücke aufgefrischt und gesammelt werden.

Der GAC Aion V federt komfortabel, wie die unterschiedlichen Untergründe auf einzelnen Abschnitten des Rundkurses zeigen. Auch die Sitze unterstützen mit ihrer weichen Polsterung des Komfortempfinden. Trotzdem fühlt man sich nicht wie auf Großmutters alter Couch. Vorne und im Fond geht es sehr geräumig zu. Es war das Ziel der Entwickler, das Auto bequem wie ein Wohnzimmer zu gestalten. Die chinesischen Kunden legen dabei auch Wert auf gekühlte Getränke, die aus einem klimatisierten Fach unter der Mittelarmlehne geholt werden können. Hierzulande dürfte man mehr Wert auf eine einfache Integration von Smartphone-Inhalten legen. Apple CarPlay und Android Auto sollen ohne Kabelverbindung nutzbar sein. Im Testwagen konnte das noch nicht getestet werden.

Der 165 kW (224 PS) starke Elektromotor zerrt mit überschaubaren 240 Newtonmetern Drehmoment nicht zu stark an den Vorderrädern. Auch auf glattem Asphalt (bei trockenem Wetter) gibt es, beispielsweise beim starken Herausbeschleunigen aus engen Kehren, keine Traktionsverluste.

Im Herbst 2024 wurde für den Aion V in Europa ein Basispreis von unter 30.000 Euro in Aussicht gestellt. Ob GAC diesen Plan angesichts der EU-Strafzölle für Elektroautos halten kann, bleibt abzuwarten.

AION UT Fahrbericht

Das zweite Aion-Modell für Export ist der kompakte UT. Das Design des 4,27 Meter langen, 1,85 Meter breiten und 1,58 Meter hohen Kompakten entstand im GAC-Designstudio in Mailand. Ein wenig südeuropäische Einflüsse sind durchaus erkennbar. Die Neigung der Heckklappe und der Rückleuchten erinnert spontan an den Fiat 600.

Die Plattform teilt sich der Aion UT mit dem größeren V, der Antrieb unterscheidet sich. 100 kW (136 PS) leistet der E-Motor im kleineren Modell. Ein 68 kWh großer LFP-Akku soll, gemessen nach chinesischer Verbrauchsnorm CLTC, für bis zu 420 Kilometer Reichweite sorgen. Diese Batterie soll, bei einem späteren Export nach Europa, mit einem stärkeren Elektromotor kombiniert werden, der dann 150 kW (204 PS) leisten wird.

Auch im Aion UT betten sich Fahrer und Passagiere auf weichen Sitzen mit Kunstlederbezügen. Die fahrrelevanten Informationen sind auf einem 8,8 Zoll großen Display hinter dem Lenkrad gut ablesbar. Der Touchscreen in der Mitte des knopflosen Cockpits hat auch hier eine Bildschirmdiagonale von 14,6 Zoll. Über ihn läuft auch die Bedienung von Fahrfunktionen, wie die zweistufig einstellbare Energie-Rekuperation. Trotz großer Icons kann das während der Fahrt stark ablenken.

Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt, die Dämpfer wirken jedoch etwas zu weich. Das gilt auch für die Lenkung, die wenig Rückmeldung über den Stand der Räder in Kurven gibt. Beim UT-Testwagen handelt es sich um ein Vorserienauto, bis zum Start der Produktion sollte die Abstimmung nochmal überarbeitet werden.

Auf Nachfrage wird für den Aion UT ein europäischer Grundpreis von rund 26.000 Euro genannt. Damit liegt er auf einem - verhältnismäßig - günstigen Niveau unterhalb von Mitbewerbern wie GWM Ora 03 und MG4 Electric. Im Markt der Elektroautos dürfte er sich aber, trotz des großzügigeren Raumangebots, auch am Renault 5 E-Tech messen lassen müssen, der ab 27.900 Euro bestellbar ist und den Vorsprung einer etablierten Marke nebst der langen Modellgeschichte der klassischen Renault-5-Baureihe mitbringt.

AION Y Fahrbericht

Bestseller der Marke in China ist der Aion Y Plus. Bei ihm handelt es sich um einen kompakten Van im Format des früheren Renault Scenic. Seine Karosserie ist 4,54 Meter lang, 1,87 Meter breit und 1,65 Meter hoch. Für den Verkauf in Europa ist der nicht geplant. Hier will GAC mit Modellen auf der neuen Plattform punkten, die technische Basis des Aion Y ist schin einige Jahre älter. Kunden haben die Wahl zwischen einem 38 oder 52 kWh großen Akku für 310 oder 420 Kilometer Reichweite, kombiniert mit einem 100 kW (136 PS) starken Elektromotor. Außerdem gibt es den Van mit 150 kW (204 PS), der LFP-Akku hat dann eine Speicherkapazität von wahlweise 64 oder 77 kWh (Reichweite 510 oder 610 Kilometer).

Das Fahrverhalten des Aion Y wirkt auf der Teststrecke in China gutmütig und unaufgeregt. Federn und Dämpfer wirken etwas straffer als bei den neueren Aion-Modellen, ohne dass Querfugen oder Kanten in der Fahrbahnoberfläche durchschlagen. Der konsequente Verzicht auf eine dritte Sitzreihe sorgt für einen sehr geräumigen Fond und einen gut nutzbaren Kofferraum – wenngleich uns Angaben zu dessen Fassungsvermögen verwehrt bleiben.

GAC Motor ES9 PHEV Fahrbericht

Das knapp über fünf Meter lange SUV wirkt optisch aus einem Guss. Das Design erinnert bei den Proportionen und einigen Elementen an den aktuellen Kia Sorento. Der Chinese wird als Sechs- oder Siebensitzer angeboten, wobei in der zweiten Reihe stets zwei Einzelsitze montiert sind und ganz hinten beim Siebensitzer eine durchgehende Bank drei Personen unterbringen soll.

Als Option gibt es eine „Traveller“ genannte Ausstattung in Form einer Box, die außen an der Heckklappe montiert ist. In ihr befindet sich ein überschaubarer Stauraum ohne wirklichen Transport-Mehrwert.

Weiter vorne steckt ein Plug-in Hybrid-Antrieb unter dem Blechkleid. Der zwei Liter große Vierzylinder-Benziner leistet 140 kW / 190 PS und liefert ein maximales Drehmoment von 330 Newtonmetern bei 1.500 bis 4.000 U/min. Dazu kommt ein Elektromotor mit 134 kW (182 PS), die Systemleistung wird kombiniert mit 274 kW / 373 PS angegeben – das Drehmoment mit 630 Newtonmetern. Nach WLTP-Norm sollen bis zu 110 Kilometer rein elektrisch zurückgelegt werden können (nach CLTC 143 Kilometer), bevor der 25,6 kWh große Akku leergesaugt ist.

Auf der kurzen Testfahrt ist die Batterie fast voll, der ES9 fährt also elektrisch. Nur bei Kick-Down schaltet sich der Verbrenner dazu. Um das zu bemerken, muss man die Ohren spitzen. Die Abstimmung der Hybrid-Komponenten ist den Chinesen gut gelungen. Federung und Dämpfung wirken weniger ausgewogen. Trotz straffer Abstimmung neigt sich der ES9 in einer zügigen Kurve spürbar zu Seite. Zudem gelangen die angetrieben Vorderräder in Kurven, schon bei halbem Pedalweg am rechten Fuß, an ihre Traktionsgrenze.

Defizite, die im dichten Pendlerverkehr in chinesischen Großstädten weniger auffallen dürften. Hier erfreuen sich Fahrer und Insassen vielmehr am großen Infotainment-Bildschirm, den hochauflösenden Digital-Instrumenten und dem gestochen scharfen Head-up-Display, dass die Anzeigen im virtuellen 30-Zoll-Format auf die Windschutzscheibe spiegelt.

GAC Motor E9 PHEV Fahrbericht

Ebenfalls in dieser Form weder reif noch geplant für einen Export nach Europa ist der siebensitzige Van E9. In ihm steckt der gleiche Plug-in-Hybrid-Antrieb wie im SUV mit 274 kW / 373 PS Systemleistung. 25,6 Kilowattstunden Strom sollen hier für 106 Kilometer elektrische Reichweite, gemessen nach WLTP-Norm, sorgen.

Der 5,19 Meter lange Siebensitzer, mit dem GAC in Konkurrenz zu Toyota Alphard und Vellfire tritt, hat große Schiebetüren mit bequemen Einzelsesseln inklusive einer Beinauflage dahinter, die Dreierbank ist auch hier ganz hinten zu finden. Das Cockpit zeigt, rechts vom 14,6 Zoll großen Infotainment-Touchscreen, ein weiteres Display. Der Beifahrer kann hier während der Fahrt Filme streamen oder Apps nutzen. Ein interessantes Detail ist ein haptisch hochwertiges Drehelement innerhalb des Fahrstufen-Wählhebelchens. Hier lässt sich, intuitiv bedienbar, die Audio-Lautstärke einstellen.

Auf der Teststrecke zeigt der GAC E9 PHEV das gleiche, etwas unausgewogene, Fahrverhalten wie der ES9. Die Vorderräder scheinen mit der Kraft des Antriebs überfordert zu sein, zusätzlich zu den Reifen ohne Haftung. Weiche Dämpfer in Kombination mit einer harschen Federung bringen stete Unruhe ins Auto, die empfindlichen Naturen auf den Magen schlagen dürfte.

HypTec HT Fahrbericht

Die Submarke HypTec soll sich um hochwertigere und sportliche Elektroautos kümmern. Für die Testfahrten hat GAC den HAT mitgebracht, ein direkter Gegner für das optisch sehr ähnliche Tesla Model Y. Als Option gibt es sogar eine geänderte Karosserie mit Flügeltüren am Heck, die wiederum das größere Tesla Model X zum Vorbild haben.

Unter der 4,94 Meter langen, 1,92 Meter breiten und 1,70 Meter hohen SUV-Coupé-Karosserie stecken, je nach Wahl des Kunden, unterschiedliche Antriebskonfigurationen. Das Basismodell kommt mit einem 180 kW (245 PS) starken Heckmotor und gut 70 kWh großen LFP-Akku (Lithium-Eisenphosphat). Außerdem gibt es ein Topmodell mit 250 kW (340 PS), bei dem ebenfalls die Hinterräder angetrieben werden. Bis zu 99,5 kWh Akku-Kapazität – dann in einer NMC-Batterie (Nickel-Mangan-Kobalt) – hieven die Reichweite auf über 600 Kilometer.

Hinter der Doppelverglasung an den rahmenlosen Türen wartet ein reduziertes Cockpit mit digitalen Instrumenten, die knapp unter der Windschutzscheibe liegen. Für eine bessere Sicht auf die Anzeigen ist das Lenkrad des HT nicht nur unten, sondern auch oben abgeflacht. Zusammen mit der arg gefühllosen Lenkung sorgt das für ein leicht eckiges Fahrverhalten bei schnellen Richtungswechseln. Zudem spürt man, nicht nur beim Slalom, das Gewicht von 2,2 Tonnen – sie drücken das Auto in Richtung Kurvenrand.

HypTec SSR Mitfahrt

Image-Lokomotive für Konzern und Marke ist der elektrische Supersportwagen HypTec SSR. Sein Drei-Motoren-Antrieb mit einer Maschine an der Vorderachse und zwei weiteren hinten bringt es auf bis zu 900 kW (1.225 PS). Der NMC-Akku hat eine Speicherkapazität von 74,7 kWh. Die Werksangabe von 506 Kilometern Reichweite nach CLTC-Norm dürfte dabei nur bei sehr entspannter Fahrweise erreicht werden.

Laut Datenblatt zoomt der SSR (der Name steht für Super, Sport, Race) in 1,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. Graue Theorie, die wir beim Besuch in China nicht ansatzweise erfahren können. Man traut entweder den deutschen Journalisten nicht zu, einen Sportwagen zu erfahren, oder sich selbst nicht, den Schlüssel aus der Hand zu geben.

Also muss eine kurze Mitfahrt auf der werkeigenen Teststrecke genügen. Der Fahrer scheint nicht voll auf dem Pedal zu stehen. Der Sportler mit Scherentüren legt zwar rasant los, ist gefühlt bei dieser Fahrt aber weit von den genannten 1,9 Sekunden für Nullhundert entfernt. Sachte beschleunigt der Chauffeur weiter, am Ende der langen Geraden stehen „nur“ 194 km/h auf der Digitalanzeige, bevor stark abgebremst und damit das Ausloten des querdynamischen Potenzials in der folgenden Linkskurven-Kombination unterbunden wird.

In China kostet der HypTec SSR über 200.000 Euro. Wie viele Kunden bisher zugeschlagen haben, wird nicht verraten. Beim Besuch in der Fabrik von Aion und Hyptec sind auf einer separaten Monatelinie aber einige SSR zu sehen, die in Manufakturarbeit montiert werden. Während die Fabrik alle 53 Sekunden ein neues Elektroauto der beiden genannten Marken ausspuckt, ruht die Arbeit an den SSR-Karosserien aber – zumindest während unseres Spaziergangs durch die Montagehallen.

Fazit

Auf dem chinesischen Markt ist GAC eine fest verankerte Größe, nicht nur im Großraum Guangzhou. Frühere Besuche in anderen Teilen des großen Landes haben gezeigt, das vor allem die GAC-Trumpchi-Modelle E9 und ES9, aber auch der Aion Y, sich im Straßenbild etabliert haben.

Für einen erfolgreichen Start in Europa muss der Konzern seine Hausaufgaben gründlich erledigen. Viele chinesische Marken sind schon gekommen, nicht wenige sind bereits gescheitert oder bleiben beim Absatz weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Modelle Aion UT und Aion V sind ordentliche Elektroautos, die sich aber als Mainstream-Produkte vor allem über den Preis und einen guten Service bei Kauf und Wartung vermarkten lassen dürften. Wann Importeur und Händlernetz stehen, ist noch unklar. Es dürfte aber noch Zeit bleiben, dazuzulernen – für den potenziellen Kunden ebenso wie für den Hersteller.

Im Video: Chinese in Paris - Fahrbericht GAC Aion V

Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad