Der neue Ford Bronco V6 im Fahrbericht mit Video-Review.
Es gibt sie noch, die automobilen Charaktertypen. Die sich nicht von der SUV-Crossover-Welle weichspülen lassen. Mal mehr, mal weniger stark. Unter dem Diktat der CO2-Vorgaben bliebt der Jeep Wrangler zwar auf dem europäischen Markt, aber nur noch als 4x3 genannter Plug-in Hybrid. Immerhin. Andere Geländewagen wie der Mitsubishi Pajero ist schon lange weg.
Der Ford Bronco im Video
Da biegt plötzlich der Ford Bronco ums Eck. 2021 wurde, nach einem Vierteljahrhundert Pause, in den USA der klassische Modellname für einen kernigen Offroader wieder belebt. Dort reißen sich die Kunden um das Auto, es gibt lange Lieferzeiten und teils saftige Aufpreise. Ein weiterer Umstand, der es doch – neben den Flotten-Emissionswerten – verbieten dürfte, die Modellreihe nach Europa zu bringen, oder? Ford sagt: „Doch, wir machen das“.
Die Marke befindet sich gerade in einer Transformation. Man will weg vom Mainstream-Markt, in dem man sich mit VW, Opel und asiatischen Marken einen Kampf um die Kunden liefert. Man will nicht mehr Autos über den Preis verkaufen, sondern Begehrlichkeiten wecken. Mit US-Importen wie dem Mustang nebst elektrischem Mustang Mach-E gelingt das gut. Dazu kommen Nutzfahrzeuge bis hin zum Pick-up
Ranger Raptor
mit Rallye-Genen.
Limitierter US-Offroader
Fiesta und Focus müssen weichen, dafür kommen zwei kompakte bis mittelgroße Elektroautos auf Basis des von VW entwickelten MEB (Modularer Elektroantriebs-Baukasten) ins Programm. Die drücken, zusammen mit einem elektrischen Puma und dem populären Kuga Plug-in Hybrid, die CO2-Emissionen. Also leisten sich die Strategen den Luxus, uns mit dem Ford Bronco zu beglücken.
Ab Frühjahr 2023 soll der Geländewagen für Kunden in Europa bestellbar sein. Bronco-Fans sollten dann schnell handeln, denn es wird nur eine „limitierte Stückzahl“ geben. Ab Herbst 2023 wird ausgeliefert. Zu uns wird der Ford Bronco nicht auf schüchterne Art und Weise als US-Basismodell mit Vierzylinder-Motor kommen, sondern mit einem doppelt aufgeladenen 2,7 Liter großen V6. Noch ist das Auto nicht für den europäischen Markt homologiert, weshalb wir mit einem amerikanischen Modell zu ersten Testfahrten starten. Hier stecken 246 kW / 335 PS unter der Haube.
Das Karosseriedesign des viertürigen Bronco betont die geraden Linien. Das schafft eine reduzierte Klarheit und modernen, rustikalen Schick. Dabei folgt die Form stets die Funktion. An den Ecken der Frontmaske zeigen sich Verzurrösen für Kanu und Co. Die verschraubten Radläufe lassen sich einfach abnehmen und austauschen. Wer sie im Gelände oder im Großstadtdschungel beschädigt, muss also nicht ganze Karosseriebleche tauschen lassen.
Hardtop und Türen lassen sich abnehmen. Als viertüriges Cabrio kann man dann unter dem stabilen Bügel sitzen, ohne Türen ist das Fahren leider nur auf Privatgrund erlaubt. Wir lassen beides am Auto, denn es herrschen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
Modern-rustikales Ambiente
Sitz- und Lenkradheizung lassen sich über physische Tasten bedienen. Über dem Klimaanlagen-Modul sitzt nicht, wie von aktuellen Ford-Modellen gewohnt, ein hochkant stehendes Display, sondern ein riesiger Touchscreen im 4:3-Format. In der Mittelkonsole steht der Wählhebel für das 10-Gang-Automatikgetriebe bereit. Auf „D“ damit und los geht’s.
Es treibt uns im Bronco zuerst in einen Steinbruch. Kein Kindergarten-Offroad-Spielplatz, sondern raues Terrain. Über den Drehregler zwischen den Vordersitzen wird die Geländeuntersetzung aktiviert, aus einem der vielen G.O.A.T.-Fahrmodi (Goes Over Any Terrain) das Felsen-Programm ausgesucht. Jetzt klettert der Amerikaner Hügel rauf und runter, nimmt Schrägfahrten entspannter als der an der Seitenscheibe klebende Fahrer und zuckelt dank Bergabfahrhilfe eine (gefühlt) fast senkrechte Geröllpiste hinunter. Die klassischen Geländewagen-Übungen meistert er mit Bravour, sitzt dank üppiger Bodenfreiheit (Wattiefe 851 mm) nirgends auf.
Erst in den Schmutz, dann auf die Straße
Eine kleine Taste auf dem Armaturenbrett aktiviert die „Turn Trail Control“. Jetzt erkennt die Software, in welche Richtung stark eingelenkt, wird und bremst das kurveninnere Hinterrad bis zum Blockieren ab. Das Resultat: Der innere Wendekreis verringert auch auf vier Meter. Das fühlt sich auf dem Fahrersitz an, als ob sich das Auto unter dem eigenen Hintern auf der Stelle dreht.
Von außen sieht das aus, als ob der Mensch hinter dem großen Lenkrad vergessen hat, die Handbremse zu lösen. In engen Offroad-Kehren kann diese Funktion aber die benötigte Wendigkeit bringen, die man genau in diesem eben jenem Moment braucht.
Das weiße Auto ist ordentlich eingesaut. Zeit, sich den Schlamm und Steine aus dem Reifenprofil zu klopfen. Auf der Straße gefällt der US-Ford mit dem saftigen Antrittsverhalten des V6-Motors und guter Übersicht dank steil stehender Scheiben. Spätestens bei Landstraßentempo stören aber die lauten Windgeräusche aus den abnehmbaren Dachmodulen.
Jetzt empfiehlt es sich, die Allradfunktion über den Drehschalter zu deaktivieren. Denn auch ohne die zusätzliche Verspannung im Antriebsstrang wirkt der Bronco recht sperrig. Ein Kleinwagen für den urbanen Raum will er nicht sein. Im Zweiradmodus wird er auch effizienter zu bewegen sein. Die Nennung eines Test-Verbrauchs verkneifen wir uns dieses Mal aber, da der Ford Bronco einen Großteil des Tages im Gelände unterwegs war.
Das kostet der Ford Bronco
Noch stehen weder die genauen Umfänge der Ausstattungslinien und das Lieferprogramm fest. Offiziell ist ja noch nicht einmal vom V6-Benziner die Rede. Deswegen kann man beim Preis nur spekulieren.
In Deutschland dürfte der Ford Bronco wohl nicht unter 65.000 Euro kosten, mit einigen Extras deutlich mehr. Vorsichtige Orientierung bietet der Seitenblick auf den Ford Ranger Raptor. Der Pick-up mit 292 PS starkem Benziner kostet stolze 79.432,50 Euro.
Fazit
Ford traut sich was. Der Bronco ist weder politisch korrekt noch perfekt. Aber trotzdem (oder gerade deswegen?) ein Auto, dass sofort den „Haben-wollen-Effekt“ auslöst. Der kultige Amerikaner dürfte hier schnell eine große Fangemeinde finden. Auch unter Ford-Händlern, die ihren Kunden dann allerlei Zubehör für Offroad-Einsatz und Innenstadt-Show verkaufen werden.
Technische Daten
Ford Bronco V6 (US-Version) |
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Antrieb | zuschaltbarer Allradantrieb |
Hubraum | 2.694 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 246 kW / 335 PS bei 5.250 U/min |
Max. Drehmoment | 563 Nm bei 3.100 U/min |
Getriebe | 10-Gang-Automatik |
Tankinhalt | 79 Liter |
Leergewicht | 2.364 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.250 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.052 (mit Reserverad) / 1.928 / 1.852 mm |