Die Mercedes-Benz V-Klasse als V300d mit neuem MBUX-Infotainment im Alltagstest.
Die Mercedes V-Klasse gilt, spätestens in der aktuellen Generation, als ernsthafte Alternative zum scheinbar allgegenwärtigen VW Multivan. Als Freizeitversion Marco Polo mit Camping-Ausbau tritt sie erfolgreich gegen den VW California an.
2019 wurde der große Mercedes mit einem sanften Facelift aufgefrischt, seitdem zieren ein neuer Stoßfänger und ein geänderter Kühlergrill die Frontpartie – sofern man nicht das optionalen AMG-Paket wählt. Außerdem serviert der Verkaufsberater seitdem ein neu sortiertes Dieselmenü mit drei Leistungsstufen aus zwei Litern Hubraum. Das neue Topmodell V300d mit 239 gefiel bereits beim ersten Fahrbericht .
MBUX neu in der V-Klasse
Im direkten Vergleich zum VW T6.1-Facelift fielen V-Klasse bzw. Marco Polo bei der Infotainment-Ausstattung aber leicht zurück. Hier legte Mercedes 2020 nach, dann zog auch das MBUX (Mercedes-Benz User Interface) in den Van ein.
Im Alltagstest des Mercedes V300d findet das MBUX mit seiner Ausstattung im Autor dieser Zeilen sofort einen Freund. Endlich kann das Smartphone via Apple CarPlay oder Android Auto integriert werden, wenn auch noch nicht ohne Kabelverbindung. Aber auch das werksseitige Navigationssystem gewinnt mit MBUX. Mit dem Onlinezugang des Infotainmentsystems werden Echtzeitverkehrsdaten genutzt und die Routenführung entsprechend angepasst.
"Erzähl´ mir einen Witz"
Auch auf langen, teils staureichen Strecken funktionierte die adaptive Navigation sehr zuverlässig, Staus wurden früh erkannt und umfahren. Der Vorteil gegenüber der Navigations-App des Smartphones: Man kann sich die Routenführungsbefehle auch im Display des Kombiinstruments anzeigen lassen, was trotz des hohen Touchscreens in der Mittelkonsole für den Fahrer ergonomischer ist.
Die Sprachsteuerung, ebenfalls onlinebasiert, ist wachsam. Auf den Befehl „Hey, Mercedes“ erzählt sie auch Witze. Lange Strecken und viele Versuche bewiesen: Das System kann immerhin vier Witze erzählen. Einer davon: „Sagt das Schaf zum Rasenmäher „Mäh“. Sagt der Rasenmäher: „Du hast mir gar nichts zu befehlen.““
Touchpad mit Nachteilen
Es gibt aber auch negative Seiten des neuen Bedienkonzepts. Mit Command entfiel leider auch der Dreh-Drück-Steller mit Handauflage auf der Mittelkonsole. Das jetzt eingebaute Touchpad ist weniger intuitiv und vor allem nur mit direktem Blickkontakt zu benutzen, was stärker vom Fahren ablenkt. Außerdem sind oft zwei Bedienschritte nötig, zum Beispiel zum Skippen eines Musikstücks.
Auch die Integration der Software in die V-Klasse-Architektur scheint noch Lücken zu haben. „Hey Mercedes, mir ist kalt“ erhöht zwar die Temperatur der Klimaautomatik. Auf den gesprochenen Wunsch nach der Sitzheizung antwortet das System aber: „Dieses Fahrzeug hat keine Sitzheizung“. Hat es aber noch.
Starke Motorisierung im V300d
Voll und ganz überzeugen kann der 239 PS starke Dieselmotor im V300d. Auch bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn bleibt der Selbstzünder akustisch zurückhaltend. Seine 500 Newtonmeter Drehmoment, zu denen bei Bedarf kurzzeitig 30 weitere als Aushilfe eilen, werden von der Neungang-Automatik wachsam verteilt. Im Testwagen gelangte die Kraft an die Hinterräder. Gegen Aufpreis gibt es die V-Klasse auch als 4MATIC mit Allradantrieb.
Die Werksangabe von fixen 7,9 Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h glaubt man gerne. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h erreicht der große und schwere Bus mühelos. 220 km/h sind es laut Datenblatt, auf dem Display stehen auch mal knapp 230.
Im Video: Mercedes Marco Polo 300d (2019)
Selbst dann liegt die V-Klasse mit dem Agility-Control-Fahrwerk der Ausstattungslinie Avantgarde Edition sicher auf dem Asphalt, die Lenkung erlaubt zielsicheren Geradeauslauf. Selbst eilige Etappen halten den Durst im Rahmen, im Testalltag genehmigte sich der V300d 9,5 Liter Diesel je 100 Kilometer. Ein guter Wert für einen 5,14 Meter langen und knapp 2,2 Tonnen schweren Sechssitzer.
Vor allem mit Passagieren an Bord reist man aber entspannter bei Richtgeschwindigkeit, am besten mit aktivierter adaptiver Geschwindigkeitsregelanlage. Hinter langsameren Verkehrsteilnehmern wird früh und somit sanft abgebremst. Nur das erneute Beschleunigen, zum Beispiel nach dem Spurwechsel, erfolgt verzögert und träge. Nachts sorgen die LED-Scheinwerfer für eine gute Sicht, der „Fernlichtassistent Plus“ funktioniert zuverlässig.
74.468,60 Euro kostet der gut ausgestattete Testwagen als V300d Avantgarde Edition in der mittleren von drei Karosserielängen. Der Preis ohne Extras beträgt 64.496 Euro. Viel Geld, ja. Aber im Vergleich zum VW T6.1 zeigt sich: Ein Multivan mit 199 PS starkem Dieselmotor ist mit annähernd gleicher Ausstattung nochmals spürbar teurer.
Fazit
Auch im Alltag auf deutschen Fernstraßen zeigt der Mercedes V300d starke Talente als Reiseauto mit viel Platz für Passagiere und Gepäck. MBUX bringt ein deutlich moderneres Infotainmentsystem mit Onlinezugang, vier Witzen und Smartphone-Integration. Die Bedienung mit dem Touchpad ist im Vergleich zum Dreh-Drück-Steller aber ein Rückschritt.
Wer mit weniger Bling-Bling auskommt und pragmatischer denkt, für den könnte auch der gleich motorisierte Vito Tourer 124 CDI eine Alternative sein.
Technische Daten
Mercedes-Benz V300d Avantgarde Edition |
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Hubraum | 1.950 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 176 kW / 239 PS bei 4.200 U/min |
Max. Drehmoment | 500 (+30) Nm bei 1.600 - 2.400 U/min |
Getriebe | 9-Gang |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 220 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,1 Liter (NEFZ) |
Verbrauch real auf 100km | 9,5 Liter |
Leergewicht | ca. 2.200 kg |
Anhängelast (gebremst) | 2.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.140 / 1.928 / 1.880 mm |
Grundpreis | 64.496 Euro |
Testwagenpreis | 74.468,60 Euro |