Erste Fahrt im Seat Ibiza mit Erdgasantrieb.
Es gibt sie durchaus, die vielfahrenden Kleinwagenkunden. Große Anwaltskanzleien, die täglich eilige Schriftstücke zu Gerichtsterminen bringen. Oder Pendler, bei denen das große Familienauto zu Hause bleibt – für die Familie eben.
Diese Kunden griffen früher auch beim kleineren Auto zum Diesel und orientieren sich jetzt vielleicht um. Gut möglich, dass ein Erdgasauto als Alternative zu Diesel und Benziner in Erwägung gezogen wird.
Daran arbeitet der Volkswagen-Konzern mit Nachdruck und bringt viele neue CNG-Modelle auf den Markt. Eines davon ist der Seat Ibiza 1.0 TGI, der die Erdgaspalette der spanischen Marke nach dem Mii Ecofuel und dem Seat Leon 1.4 TGI um eine dritte Baureihe ergänzt.
Wie der Polo basiert auch beim Seat der TGI auf dem 1.0 TSI-Dreizylinder. Für den bivalenten Antrieb optimiert, verliert der Motor verkraftbare fünf Pferdestärken an maximaler Leistung, jetzt stehen 66 kW / 90 PS im Datenblatt.
Die werden über ein manuelles Fünfganggetriebe zum Leben erweckt. Das funktioniert mit den kurzen Schaltwegen in sauber geführten Gassen auch prima, in der Stadt schwimmt er Ibiza TGI gut mit. Auf der Landstraße und der Autobahn erzieht der Erdgas-Seat zur gemächlichen Fahrweise.
Mit dem lang übersetzten höchsten Gang passiert nicht viel, wenn man bei Tempo 100 oder mehr auf das Gaspedal drückt, um einen LKW zu überholen. Zurückschalten ist angesagt. Hier zeigt sich der CNG-Motor spürbar müder als der rein auf Benzinbetrieb ausgelegte Bruder. Das maximale Drehmoment ist mit 160 zu 175 Newtonmeter etwas geringer und steht auch später zur Verfügung: Zwischen 1.900 und 3.500 Umdrehungen pro Minute beim TGI, der TSI ist bereits ab 1.500 Umdrehungen in Höchstform.
Die leichte Lethargie im direkten Vergleich entschuldigt der Seat Ibiza TGI mit der weißeren Weste. Unter dem doppelten Ladeboden des Kofferraums steckt ein Erdgastank mit 13 Kilogramm Volumen, außerdem bleibt der 40 Liter große Benzintank an Bord.
Erdgas verbrennt sauberer als flüssiger Kraftstoff, die CO2-Emissionen liegen ca. 35% unter Benzin und 23% unter denen eines Diesels. Auch beim Feinstaub hält sich ein Erdgasauto zurück, verursacht davon knapp die Hälfte weniger als ein Diesel. Im reinen Gasbetrieb verursacht der Ibiza TGI 88 Gramm CO2 je Kilometer, der Benziner mit 95 PS 106 Gram (beide Werte nach NEFZ).
Der CNG-Ibiza fährt vornehmlich mit Gas. An kalten Tagen, wenn die Temperatur des Frostschutzmittels unter 10 Grad fällt, wird der Motor mit Benzin gestartet um den Erdgaskreislauf aufzuwärmen, dann wird umgeschaltet.
5,1 Kilogramm Erdgas hat der Ibiza laut Bordcomputer auf den Testfahren je 100 Kilometer verbraucht. Ca. 254 Kilometer also, bis auf Benzinbetrieb umgeschaltet wird. Interessanterweise hat der Seat Leon 1.4 TGI einen niedrigen Gasverbrauch angezeigt.
Das mag am angestrengteren und damit höher geforderten Einliter-Dreizylinder im Ibiza liegen, aber auch am noch recht jungfräulichen Testwagen, der zudem in der noblen Ausstattungslinie Xcellence mit allerlei gewichtsträchtigen Ausstattungsschmankerln antrat.
Bei einem durchschnittlichen (Münchner) Erdgaspreis von 1,17 Euro je Kilogramm verursacht der Seat Ibiza 1.0 TGI also Treibstoffkosten von 5,97 Euro je 100 Kilometer.
Der technisch mit dem Seat identische VW Polo 1.0 TSI mit 95 PS hat im Fahrbericht 7,0 Liter Super verbraucht, was 9,45 Euro (bei 1,35 € / Liter E10) verursacht.
Mangels eigener Diesel-Erfahrung im Modell müssen die NEFZ-Normwerte herhalten, um das TGI-Modell einzuordnen. 3,3 kg CNG kosten je 100 Kilometer 3,86 Euro. 6,35 Euro gibt der Ibiza TST-Fahrer auf dieser Strecke aus (4,7 Liter Normverbrauch), 4,75 Euro der Kunde des 80 PS starken 1.6 TDI (3,8 Liter bei 1,25 Euro / Liter).
Damit fliegt der Diesel direkt aus der Kurve, denn er ist 745 Euro teurer als das Erdgasmodell. Dessen Aufpreis gegenüber dem Benziner beträgt 1.530 Euro – übrigens weniger als beim Polo, hier verlangt der TGI 2.600 Euro mehr.
Ohne die bis Ende März 2018 von Seat gewährte Extra-Prämie von 2.000 Euro für das Erdgasmodell, bei der sich der TGI vom ersten Kilometer an rechnet, fährt man mit ihm also nach ca. 44.000 Kilometern günstiger als mit dem reinen Benziner.
Vorausgesetzt ist der ständige Betrieb mit CNG, was eine Tankstelle im Umfeld oder auf der Pendlerstrecke voraussetzt, die auch öffentlich zugänglich ist und vertretbare Öffnungszeiten hat.
900 Erdgassäulen gibt es aktuell in Deutschland. Das klingt nur ausreichend viel, wenn man die Zahl von 14.510 Tankstellen für Benzin und Diesel (Stand Ende 2017 lt. Statistischem Bundesamt) noch nicht gehört hat.
Alle sechs Monate soll man den Gastank übrigens leer fahren und dann das gleiche mit dem Benzinvorrat machen, denn der bleibt nicht ewig frisch genug für die Einspritzdüsen.
Wer also, bedingt durch den Erdgastank, mit dem von 355 auf 262 Liter geschrumpften Kofferraumvolumen und der eher entspannteren Einstellung zur Längsdynamik leben kann und zudem die passende Erdgas-Infrastruktur in der Nähe hat, könnte mit dem Seat Ibiza 1.0 TGI durchaus glücklich werden.
Klar ist aber auch: Erdgas ist nicht die perfekte Lösung sondern eine weitere Alternative, Verbrennungsmotoren ein Stück weit sauberer zu machen und ihre Lebenszeit für einen geordneten Übergang zu neuen Antriebsmethoden zu erhöhen. Also weder Irrweg noch Ausweg, aber ein gern genommener Umweg.
Das Video zum Seat Ibiza 1.0 TGI findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Seat Ibiza 1.0 TGI Xcellence |
|
---|---|
Hubraum | 999 cm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 3 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 66 kW / 90 PS bei 4.500 - 5.800 U/min |
Max. Drehmoment | 160 Nm bei 1.900 bis 3.500 U/min |
Getriebe | 5-Gang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 3,3 kg Erdgas / 5,0 Liter Super |
Verbrauch real auf 100km | 5,1 kg Erdgas |
Leergewicht | 1.239 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.059 / 1.780 / 1.444 mm |
Grundpreis | 20.320 Euro |
Testwagenpreis | 23.410 Euro |