Mehr Auto braucht man eigentlich nicht. Seat Leon Sportstourer und Skoda Octavia Combi im Vergleich.
Bleiben wir doch alle mal auf dem Boden. Automobil gesehen sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es muss nicht immer ein SUV mit viel Bodenfreiheit und hoher Sitzposition sein. Mehr Platz, oft als Verkaufsargument angeführt, bieten die Hochsitze meist auch nicht. Im Fall unserer beiden Testkandidaten gilt das übrigens auch für wesentlich größere und teurere Kombis. Mehr Platz gibt es nicht immer und wenn, dann beginnt der Überfluss.
Leon und Octavia im Video
Ein gut gemachter Kompaktkombi darf auch im Jahr 2021 noch als eierlegende Wollmilchsau auf vier Rädern gelten, der sich im Reihenhauscarport ebenso gut macht wie auf dem Firmenparkplatz. Im Falle von Seat Leon Sportstourer und Skoda Octavia Combi weht auch eine starke Prise Mittelklasse-Feeling durch die luftigen Innenräume.
Das Platzangebot
Der Skoda Octavia gilt schon seit seiner Wiedergeburt unter Volkswagen-Regie im Jahr 1996 als der „Platzhirsch“ in der Kompaktklasse. Auch die vierte Generation der Neuzeit folgt diesem Weg. Mit 2,69 Metern Radstand strecken sich die Achsen weiter auseinander als im Golf Hatchback. Keine Überraschung: Im Fond des Tschechen lässt es sich bequem räkeln, in alle Richtungen ist mehr als ausreichend Platz.
Die 4,69 Meter lange Karosserie lässt zudem noch einen mindestens 640 Liter großen Kofferraum zu, der sich nach dem Umlegen der federvorgespannten Rücksitzlehne auf 1.700 Liter erweitern lässt. Schade: Nachdem sich nur die Lehne klappen lässt, steigt der Ladeboden dann leicht an.
Mit dem letzten Modellwechsel gibt sich auch der Seat Leon als Familienfreund. Fünftürer und Sportstourer nutzen die gestreckte Basis mit dem Radstand des Octavia. Damit besteht auch der Spanier den Familien-Sitztest im Autohaus mit Bravour.
Vorne und hinten bieten die Sitze mehr Seitenhalt als das auf maximalen Komfort ausgerichtete Skoda-Mobiliar. Zusammen mit dem gefühlt leicht schmaleren Innenraum drückt der Seat Leon Sportstourer damit seinen auf mehr Dynamik ausgerichteten Anspruch aus. Ergo-Sitze mit Massagefunktion, die es optional für den Octavia gibt, fehlen in der Preisliste des Leon. Auch das Schlafpaket mit den praktischen Hörnchen an den Kopfstützen oder Details wie Tablet- und Smartphone-Halter gibt es nur bei Skoda.
Der Seat Leon Sportstourer ist etwa fünf Zentimeter kürzer als der Skoda Octavia Combi. Das zeigt sich im Kofferraumvolumen: 620 bis 1.600 Liter sind ein niedrigerer Wert, für sich genommen aber noch immer riesig.
Verarbeitung, Qualität und Haptik
Unter dem doppelten Ladeboden hat der Skoda ein mit Teppich ausgeschlagenes Kellerfach. Beim Seat blickt man gleich auf die Reserveradmulde, die (wie im Octavia) eher beiläufig mitlackiert wurde.
Die Materialqualität im Innenraum sowie die Verarbeitung gefällt in beiden Testkandidaten. Der Seat bringt etwas tristere Kunststoffe mit als der um Noblesse bemühte Skoda, mit ansprechender Musterung gefällt aber auch die spanische Interieurkomposition. Als Xcellence zeigt der Seat Leon Einlagen im Holzlook und Stoffsitze mit braunen Ledereinlagen.
Der Skoda Octavia Style fährt hier mit optionalen Ledersitzen inklusive Belüftung vor, serienmäßig hat diese Ausstattungslinie Stoffbezüge. Das textile Material spannt sich auch über das Armaturenbrett, was den wertigeren Eindruck im Skoda verstärkt.
Bedienung und Infotainment
Als aktuelle Kompaktmodelle des Volkswagen-Konzerns bringen auch Seat Leon Sportstourer und Skoda Octavia Combi das digitale Bedienkonzept mit. Auch hier bleibt die Interaktion von Mensch und Maschine nicht unumstritten.
Der Seat Leon erlaubt die Konfiguration des digitalen Kombiinstruments über die vom VW Golf bekannt „View“-Taste im Multifunktionslenkrad. Beim Skoda Octavia ist das Aufrufen und Ändern der Anzeigen etwas komplexer und erfordert mehr Eingewöhnung.
Beide Modelle haben ein 10-Zoll-Display auf dem Armaturenbrett. Im Seat Leon ist der Touchscreen leicht zum Fahrer geneigt, was die Bedienung erleichtert. Die Optik der Menüoberflächen hat jede Marke leicht angepasst. Vorteil für den Skoda: Er hat weiterhin eine Leiste mit physischen Tasten unter dem Bildschirm, womit sich u.a. das Klimamenü direkt ansteuern lässt.
Der nachts unbeleuchtete Slider ist im Octavia eher zu vernachlässigen, hier dient er einzig und allein zur Änderung der Audiolautstärke. Das lässt sich auch über die Walze am Multifunktionslenkrad erledigen. Die Temperatureinstellung oder Aktivierung der Sitzheizung, die im Leon auch über den Slider erfolgen kann, gelingt im Skoda einzig über den Bildschirm.
Um sich zu wärmen, muss man erst auf das Symbol der Sitzheizung klicken und dann die Intensität auswählen. Gelerntes „Einmal, zweimal, dreimal“-Klicken funktioniert nicht mehr.
Smartphones lassen sich in beiden Autos induktiv laden und ebenso kabellos in Infotainment integrieren. Das optionale Canton-Soundsystem konnte in diesem Octavia-Exemplar jedoch nicht überzeugen. Trotz Subwoofer fehlte vor allem der Bass. Der Seat-Testwagen kam mit der serienmäßigen Lautsprecheranlage. Auch sie klingt eher fad. Es empfiehlt sich die Wahl des aufpreispflichtigen Beats-Soundsystems.
Das Fahrgefühl
Beide Testwagen kamen mit dem 110 kW / 150 PS starken 1.5 TSI-Vierzylinderbenziner in die Redaktion. Der Skoda Octavia ist damit aktuell nur als Handschalter zu haben, der Seat auch als eTSI mit 7-Gang-DSG und Mildhybrid-Technik. Dem Skoda genügt also die bei diesem Motor serienmäßige Zylinderabschaltung zum Spritsparen.
7,2 Liter genehmigte sich der Skoda im Testalltag. Der Verbrauch geht angesichts der Größe des Autos durchaus in Ordnung. Ein Racer will der 1.5 TSI nicht sein, aber man kommt gut voran, solange man auf der Autobahn nicht ständig Geschwindigkeitsbereiche oberhalb von 200 km/h aufsucht.
Die sechs Gänge lassen sich sauber schalten, etwas kürzere Wege für den Schalthebel wären aber schön. Das optionale DCC-Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern lässt eine weite Spreizung zu und schluckt die meisten Unebenheiten geflissentlich weg. Anstelle der serienmäßigen 18-Zoll-Leichtmetallfelgen rollte der Testwagen auf Winterreifen mit 17-Zoll-Rädern.
Mildhybrid mit Verbrauchsvorteil
Der Seat Leon Xcellence hat diese Radgröße ab Werk montiert, kam aber mit optionalen 18-Zoll-Felgen. Auch er hatte das DCC an Bord, das sich im Spanier ebenfalls vielfältig einstellen lässt. Schon auf den ersten Kilometern fällt aber die andere Abstimmung des Leon auf.
Er ist stets etwas straffer als der Skoda, gibt mehr Rückmeldung von der Straße und wirkt damit knackiger. Das gilt auch für den Antrieb, der vom schnell arbeitenden DSG profitiert. In Schubphasen wird der Motor im eTSI nicht nur in den Leerlauf geschickt sondern zeitweise auch ganz ausgeschaltet. Das macht sich im Verbrauch bemerkbar: Mit 6,7 Litern im Testdurchschnitt spart der eTSI im Leon im Vergleich zum Skoda einen halben Liter ROZ95 auf 100 Kilometer.
Nicht nur das Fahrwerk ist im Seat Leon mitteilsamer. Der Spanier lässt auch den Wind stärker um A-Säulen und Außenspiegel zischen. Das stört aber im Alltag nicht und fällt nur im direkten Vergleich auf.
Ausstattung und Preise
Es ist allgemein bekannt, dass sich Skoda längst von der Budgetmarke zur Smart-Buy-Alternative gewandelt hat. Viel Platz und interessante Ausstattungsdetails machen die Modelle der Tschechen aus. Einen Großteil des Vorsprungs beim Raumangebot hat der Seat Leon jetzt aber eingeholt.
Und beim Preis? Um fair zu vergleichen, ziehen wir den Seat Leon Xcellence als 1.5 TSI mit manuellem Getriebe ohne Mildhybrid-Technik heran. Er steht mit 28.720 Euro in der Preisliste. Und der Skoda Octavia Style mit gleichem Antrieb? Mit 30.450 Euro ist er spürbar teurer als der Seat.
Aber es gilt, die Ausstattung genau zu vergleichen – auch anhand der persönlichen Vorlieben. Der Skoda Octavia Style bringt im Gegensatz zum Seat Leon Xcellene u.a. elektrisch verstellbare Vordersitze mit Memoryfunktion für den Fahrer, 18-Zoll-Leichtmetallfelgen und schlüssellosen Zugang (Kessy) mit. Dafür kostet bei ihm die beim Seat serienmäßige Dreizonen-Klimaautomatik Aufpreis.
Bei den Optionen bietet der Skoda mehr aktuelle Hightech-Zutaten. Ein formidables Head-up-Display, das die Informationen direkt auf die Windschutzscheibe spiegelt, gibt es nur bei ihm. Auch Matrix-LED-Scheinwerfer verwehrt Seat dem Leon. Hier sollten die Spanier schnellstens nachlegen.
Auf annähernd gleiches Niveau gebracht, sind Seat Leon Xcellence und Skoda Octavia Style beinahe preisgleich. 33.040 Euro stehen dann bei Seat auf dem Zettel, 33.810 Euro bei Skoda. Die Testwagenkonfiguration spuckt 39.420 (Seat) bzw. 39.300 Euro aus.
Damit liegen beide leicht unter dem VW Golf Variant. Der hat in aktueller Auflage auch den „langen Radstand“. Wird er zur Alternative? Das erzählen wir ein anderes Mal…
Fazit
Der Skoda Octavia Combi bleibt sich treu, der Seat Leon Sporttourer erfindet sich teilweise neu. Jetzt punkten beide Konzernmodelle mit großzügigen Platzverhältnissen, vor allem in der zweiten Reihe. Auch die Ladeabteile sind über beinahe jeden Zweifel erhaben, mit leichten Vorteilen für den Skoda.
Wer einen Preisvorteil sucht, landet mittlerweile im Seat-Autohaus. Ausstattungsbereinigt sind beide jedoch fast gleich teuer. Skoda offeriert in der Optionsliste nicht nur alltagstaugliche Details wie Schlafkopfstützen und Tablethalter, sondern auch mehr Technikfeatures wie Matrix-LED-Scheinwerfer und Head-up Display.
Der Seat Leon zeigt mit strafferer Abstimmung und der Sitzposition einen sportlicheren Charakter, der Skoda ist weiterhin das Wohnzimmer auf Rädern. Damit endet die Entscheidungsfrage in der Schublade des persönlichen Geschmacks.
Technische Daten
Seat Leon Sportstourer XCellence 1.5 eTSI // Skoda Octavia Combi Style 1.5 TSI |
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Abgasnorm | Euro 6d-ISC-FCM |
Hubraum | 1.498 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS bei 5.000 - 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1.500 - 3.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe // 6-Gang-Schaltgetriebe |
Tankinhalt | 45 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,7 Sekunden // 8,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 221 km/h // 225 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,0 //5,1-5,2 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 6,7 Liter // 7,2 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Winter Contact TS850 225/40 R18 // 205/55 R17 |
Leergewicht | 1.410 kg // ca. 1.500 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.642 / 1.799 / 1.448 mm // 4.689 / 1.829 / 1.453 mm |
Grundpreis | 31.200 Euro (1.5 eTSI) // 30.450 Euro (1.5 TSI) |
Testwagenpreis | 39.420 Euro // 39.300 Euro |