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Fluch und Segen, das mit dem Internet. Da möchte Mercedes-Benz trotz gefühlt jahrerlanger Salamitaktik, Protoypenprobefahrten mit Journalisten und (wichtigeren) Bloggern, die neue Businesslimousine bis zur Detroit-Premiere am 11. Januar geheim halten. Und dann sowas. Die Cockpit-Premiere auf der CES in Las Vegas wird online versaut. Die ersten Außenaufnahmen der E-Klasse Limousine sind online. Zwar nicht offiziell, aber halt doch da. Ich habe die Bilder von www.auto-presse.de ausgeliehen, die offizielle Pressemeldung von Mercedes-Benz steht noch aus.
Es war sicherlich zu erwarten, was uns der Daimler da serviert, aber dennoch wirkt die E-Klasse zumindest in 2D ähnlich fad wie Hühnchen (oder Schwein oder Tofu) Süß-Sauer beim Asia-Massen-Buffet im nächstgelegenen Industriegebiet.
Man nehme eine C-Klasse und blase sie auf. Alternativ, falls gerade nur eine S-Klasse parat ist, kann man aus der auch die Luft ein wenig herauslassen. Nicht mal mehr die Grillfrage (klassisch mit Stern auf der Haube oder die sportliche Version mit dem großen Stern?) lässt sich nicht mehr so eindeutig beantworten wie beim Vorgänger. Denn leider hängen beide Kühlergitter leicht artfremd an der Front herum. Der klassische Mercedes-Grill ist zu groß geraten und zu rund, asiatische Geschmacksnerven freut das sicherlich. Bei der Grillalternative sieht die E-Klasse noch mehr aus wie der kleine Bruder. Das Profil ist schön entspannt und unaufgeregt, wie die Extrabeilage Spitzenlangkornreis. Kommen wir bei unserem gedanklichen Spaziergang um 4923 mm Auto (+43 mm im Vergleich zum Vorgänger) zum Hinterteil. Der Deckel ist mit einer deutlichen Abrisskante versehen, die Rückleuchten sind ein bisschen zu klein, dafür die Chromleiste über der Kennzeichenmulde zu groß. Und juhu – natürlich fehlen auch formvollendete Fakeblenden über den Eben-Nicht-Auspuffendrohren zur Folklore.
Das volldigitale Cockpit ist bereits bekannt und darf sicherlich als Meilenstein in der jüngeren Automobilgeschichte angesehen werden. Hier geht Mercedes-Benz den entscheidenden Schritt weiter als BMW, deren neuer 7er trotz Gestensteuerung und neuester Technik formal stehen geblieben ist. Gespannt bin ich auf die beiden Touchpads im Lenkrad, genannt „Touch Control“, die einer immer komplexeren Bedienung bestimmt besser Einhalt gebieten als jedes noch so große Berührfeld in der Mittelkonsole.
Bis 130 km/h lässt sich der neue Benz teilautonom bewegen, er orientiert sich dabei an anderen Fahrzeugen und Straßenrändern, findet sich also auch ohne deutliche Markierungen zurecht. Für Punktesammler interessant ist die Geschwindigkeitslimit-Funktion, die basierend auf Navigationsdaten die Höchstgeschwindigkeit begrenzt, z.B. in geschlossenen Ortschaften auf 50 km/h.
Zum Marktstart gibt es ganze zwei Motorvarianten, und zwar direkt die Modelle für den wichtigen Flottenmarkt. Das ist richtig so, denn so wird der Produktionsanlauf wenig komplex gehalten und Lieferzeiten verkürzt. Beide Alternativen sind Vierzylinder: E220d mit 143 kW / 195 PS und als Benziner der E200 mit 135 kW / 184 PS. Die 9-Gang-Automatik ist serienmäßig. Später folgen weitere Vierzylindermotoren und der Sechszylinder-Benziner mit 333 PS. Auch der Plug-in Hybrid 350e mit einer Systemleistung von 205 kW / 279 PS (Vierzylinder-Benziner mit Elektromotoren) ist bereits in der Pipeline.
Die genauen Daten, Preise und Termine gibt es zur offiziellen Premiere. Bestellen wir uns einfach noch eine gebackene Banane bis dahin. Und regen uns nicht auf, weil ja auch bei Audi alle Baureihen aussehen wie die anderen. Und jede Wette – auch der kommende BMW 5er wird die Brücke zwischen 3er und 7er schlagen. Ist halt so.
Und bevor mich jemand falsch versteht: Die E-Klasse wird gut ankommen im Markt, sie trägt massentaugliches Weltdesign und ist sicherlich eine ganz tolle Oberklasselimousine. Aber der große Aha-Effekt bleibt leider wieder einmal aus, solange man das Auto von außen sieht. Hätte das (r)evolutionäre Cockpit nicht ein ebenso mutiges Karosseriedesign verdient?