Eine Aufarbeitung
Ein Autoblog wie dieser soll und kann kein News-Ticker sein. Aus diesem Grund findet Ihr hier auch keine minutengenauen Neuigkeiten mit allen (un)wichtigen Entwicklungen in der Abgasaffäre rund um Volkswagen. Der vorsätzliche Betrug des größten Autobauers Europas – in diesem Jahr sogar kurzzeitig auch der Welt – kann aber auch hier nicht unbeachtet bleiben. Nach der Feldforschung im VW-Handel (Bericht hier) fühle ich mich aber nochmals motiviert, ein bisschen Senf in diese Sache zu drücken.
Die britische Autozeitschrift „Autocar“ hat bei Volkswagen nachgefragt, ob denn die manipulative Software auch bei den Europäischen Abgastests aktiviert war. Die Antwort vom Hersteller: „Wir wissen es nicht“. Der Aufschrei kommt sofort. In der Tat ist ein solches offizielles Statement von einem Weltkonzern unerwartet. Aber: Danke für diese Ehrlichkeit!
Genau das braucht das Unternehmen nun. Diesseits von Marketing- und PR-Geschwurbsel ist meiner Meinung nach nun absolute Transparenz gefordert, auch wenn ggf. weitere unangenehme Wahrheiten auf den Tisch kommen. Nur so kann – auf einer sehr langen Reise – das volle Vertrauen der Verbraucher wieder hergestellt werden. Und ich wage auch zu behaupten, dass Volkswagen aus diesem tiefen Tal sogar gestärkt herauskommen kann. Dazu muss aber garantiert sein, dass alle weiteren Enthüllungen, mögen sie auch noch zu klein sein, von Volkswagen selber veröffentlicht und gesteuert werden.
Viele Medien werfen dem Konzern im Moment vor, den Kopf in den Sand zu stecken. Aber wo soll er denn sonst hin? Eine kommunikative Pause, in Richtung Presse genauso wie in Richtung Verbraucher, ist doch das einzig richtige, was im Moment getan werden kann. Reden nur, wenn was zu sagen ist. Klar ist: Die Verkaufsstarts von Touran, Passat GTE und Passat Alltrack ist erstmal versemmelt – aber das wird nachzuholen sein.
Natürlich ist jeder Skandal irgendwann nicht mehr in den Köpfen der Verbraucher. Wer regt sich noch über den ADAC auf? Stattdessen stehen mündige Bürger wieder wie Lemminge an den mobilen Tresen wenig vertrauensvoller Promotion-Stände, um sich eine Mitgliedschaft unterjubeln zu lassen, angelockt von einem profanen Gewinnspiel. Diese Schwamm-drüber-und-nach-vorne-Schauen Strategie ist bei VW unbedingt zu vermeiden.
Wichtig ist auch, dass nun nicht einfach nur eine Rückruf- oder Serviceaktion gestartet wird, bei der die Kunden der betroffenen Fahrzeuge im Dunkeln gelassen werden. Was soll gemacht werden? Wird die Software deaktiviert, deinstalliert oder wird die Hardware geändert? Hat das Fahrzeug danach etwa weniger Leistung? Oder wird mehr Kfz-Steuer fällig, verliert der Halter gar die grüne Plakette? Das sind alles keine Optionen.
Daher erlaube ich mir, mich zu wiederholen: VW sollte – wenn es an der Zeit ist und alles gut vorbereitet wurde – eine neue Kampagne fahren, Kunden neue Modelle zu top Konditionen anbieten und gleichzeitig jedes Konzernprodukt (nicht nur EA189 Diesel) mit hohen Prämien in Zahlung nehmen. Das wird Geld kosten, den Aktienkurs weiter belasten und den Wert der Firma bis zur Rente von Herrn Müller (er ist auch schon 62) nicht mehr unbedingt erhöhen – aber den Weg frei machen können, die Firma wieder gesunden zu lassen. Herbert Diess kann dann weiter darauf aufbauen.
Im Video unten, auf Youtube gepostet von tflcar.com, sieht man übrigens, die die Software am Prüfstand arbeitet und die Leistungs- und damit Abgaswerte des VW Jetta TDI ändert.