Der Abarth 595C Turismo im Fahrbericht: Der Vorteil des offenen Verdecks.
Erstmal durchsteigen statt einsteigen. Beginnen wir mit ein wenig Markenkunde. Der Motorradrennfahrer Carlo Abarth gründet 1949 unter seinem Namen eine Firma zur Produktion von Rennwagen und Komponenten auch für Serienautos. Viele Rennsiege und Rekorde fährt das Team ein, 1958 übrigens auf einem umgebauten Fiat 500 den Rekord für eine siebentägige „Dauerfahrt“.
Nachdem die Marke Abarth im Fiat-Konzern jahrelang als Label für sportliches Zubehör und Varianten galt, hat die heutige FCA-Organisation die Marke wiederbelebt. Zum Modellprogramm gehören zwei Baureihen: Der Abarth 124 Spider, den es auch als GT mit Hardtop gibt, auf Basis des Fiat 124 Spider , wird später im Sommer bei AUTONOTIZEN behandelt.
Darunter rangiert der in verschiedenen Stufen heiß gemachte Fiat 500. Der heißt dann als Abarth mit dem traditionellen Skorpion-Logo entweder 595 oder 695. Wie jetzt?
Als Abarth 595 laufen die regulären Modelle, die sich mittlerweile ziemlich auffächern, da eifert die kleine Kugel schon fast dem Porsche 911 nach. Neben dem Grundmodell gibt es den 595 Pista, den 595 Turismo und den 595 Competizione. Neben dem Blechdach kann man auch zum Cabrio greifen.
Als Abarth 695 fungieren die teils limitierten Sondermodelle. Unvergessen ist schon heute der Tribut Ferrari, aktuell offerieren die 150 Abarth-Stützpunkte, die im Jahr 2017 übrigens knapp über 3.700 Autos in Deutschland absetzten, den 695 Rivale und den 695 XSR Yamaha. Man merkt: Für die Sondermodelle kooperiert Abarth gerne mit anderen Unternehmen. Der Rivale zitiert wie der Fiat 500 Riva den gleichnamigen Bootsbauer, der XSR Yamaha ist eine Idee mit dem japanischen Motorradlabel.
Weil das alles noch nicht genug ist, serviert jedes der vier 595 Modelle auch noch eine eigene Leistung. Stets aus 1,4 Litern Hubraum des Turbo-Vierzylinders holen sie zwischen 107 kW / 145 PS und 132 kW / 180 PS.
Genug der Zahlentheorie, einsteigen bitte! Zum ersten Date des Autors mit Auto und Marke fällt die Wahl auf die goldene Mitte: Abarth 595 Turismo, laut Marketing die Version für „Nostalgiker und Designfans“ und 121 kW / 165 PS. Als Goodie kommt das Stoffverdeck oben drauf – was ich noch als nützlich erweisen wird.
Im schlichten „Record Grey“ sieht der kleine heiße Italiener von außen gar nicht mal so willd aus. Innen dominiert hübschens braunes Leder die Szenerie, dazu Integral-Sportsitze. Auf denen sitzt man gefühlt nochmals höher als im Fiat 500. Als großer Mensch thronst Du hier mit gebeugten Kopf unterm Dach. Also schnell weg damit, es fährt elektrisch nach hinten und legt sich mitsamt der Glasheckscheibe über der Kofferraumklappe ab.
Jetzt steht zwar maximale Kopffreiheit zur Verfügung, die Beine sortieren sich aber erst nach einiger Zeit halbwegs brauchbar zwischen dem nur leicht in der Höhe verstellbaren Lenkrad und der breiten Mittelkonsole ein. Es ist eher ein Kauern als ein Sitzen, wirkt wenig sportlich. Was schnell vergessen ist, wenn der 1,4 Liter-Motor sich mit einem Sound zu Wort meldet, der schlicht und einfach Freude macht. Das Fahrwerk, sogar mit adaptiven Dämpfern an der Hinterachse ausgestattet, gibt jeden Straßenzustand trocken durch, lädt aber am Ende jeder Kurve schon zur nächsten ein. Der Abarth 595 liegt nicht wie ein Brett, dafür wäre es zur klein. Er ist eher die Flipperkugel, die man einmal anstößt. Es blinkt und läutet zwar nicht ständig um ihn herum, aber das Grinsen des Fahrers nimmt mit jedem Kilometer zu.
Gibt es einen Spielverderber? Im Testwagen leider ja. Es ist das automatisierte Schaltgetriebe für 1.300 Euro Aufpreis. Die kann man sich getrost sparen. Die Pausen zwischen den einzelnen Gangstufen sind ewig lang, zudem nickt das ganze Auto beim Schalten nach vorne. Da hilft auch der Fahrereingriff über Schaltpaddels am Lenkrad nicht. Zur Verdeutlichung sei das diesen Bericht begleitende Video zu empfehlen. In 7,4 Sekunden geht es laut Werksangaben aus dem Stand auf Tempo 100. Kaum zu glauben, dass die manuell geschaltete Version nur 0,1 Sekunden schneller sein soll. Erst bei 218 km/h hat der Vortrieb ein Ende.
Am Ende der spaßigen, aber eben durch die Sitzposition auch verkrampften Ausfahrt stellt sich die Frage, für wen der Abarth 595C Turismo oder einer seiner Brüder denn das richtige Auto ist. Eine mögliche Antwort: Für den enttäuschten Mini-Kunden. Während die bayrisch-britische Marke mit jedem Modellwechsel größer und wulstiger wird, dabei viel Sportsgeist liegen lässt, knallt FCA mit dem nur 3,66 Meter langen Abarth 595/695 ein freches kleines Sportgerät hin. So unverkrampft, überflüssig und dabei nullkommanicht peinlich, wie es nur die Italiener können.
Lassen wir noch einmal die Zahlen sprechen. 25.090 Euro kostet der Abarth 595C Turismo in der Grundausstattung. Dann funzelt er mit Halogenleuchten in die Gegend, Bi-Xenon kostet 900 Euro Extra. Auch Parksensoren am unübersichtlichen Heck (380 Euro) und eine Klimaautomatik (400 Euro) sind empfehlenswert, das Beats-Audiosystem (690 Euro) kommt für den Spaß obendrauf. Der Testwagen kostet stolze 31.130 Euro, wovon man sich aber mindestens die 1.300 Euro teure Getriebeoption sparen kann. Viel Geld für einen kleinen Fiat, aber ein guter Einstiegspreis in die große Welt italienischer Sportwagenkultur. Zumal im Internet tageszugelassene Abarth und auch Neuwagen deutlich günstiger angeboten werden.
Langstrecke? Bestimmt möglich, aber dafür hat der Abarth-Käufer im Zweifel seine Giulia in der Garage. Angefixt, auch die Alltagstauglichkeit des kleinen schnellen Autochens einmal mit einem längeren Test auszuprobieren, bin ich aber auf jeden Fall. Dann wohl wieder mit Cabriodach. Und auf jeden Fall mit manueller Schaltung.
Die technischen Daten findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Abarth 595C Turismo |
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Hubraum | 1.368 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 121 kW / 165 PS bei 5.500 U/min |
Max. Drehmoment | 230 Nm bei 3.000 U/min |
Getriebe | automatisiertes Fünfganggetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 218 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,0 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | 205/40 R17 |
Leergewicht | 1.075 kg |
Länge / Breite / Höhe | 3.660 / 1.6.27 / 1.485 mm |
Grundpreis | 25.090 Euro |
Testwagenpreis | 31.130 Euro |