Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie diesen Text.
Vorfreude, Ehrfurcht und Hochgefühl. Herzklopfen, feuchte Hände und Ohrensausen. Ausnüchterung und die Suche nach der nächsten Dosis. Der Alfa Romeo 4C lässt niemanden kalt. Wer den Schlüssel in der Hand hält und sich am aerodynamisch-organischen Design der kleinen Karosserie satt gesehen hat, wer die überraschend perfekte Sitzposition im Innenraum gefunden hat und fahren darf, der ist elektrisiert.
Wie übrigens auch alle nahen und entfernten Nachbarn. Wenn der 1.742 Kubikzentimeter große Vierzylinder aufwacht, machen das zu nachtschlafender Zeit auch die Mitmenschen. Wenn das Doppelkupplungsgetriebe den ersten von sechs Vorwärtsgängen einlegt und Du auch noch so vorsichtig losrollst, stehen sie im Bett. Vorhänge werden beiseitegeschoben, Rollos geöffnet. Der auf dem Papier fast profan wirkende 240 PS – Turbobenziner, den sich der 4C samt DCT-Getriebe aus der kompakten Giulietta Veloce ausleiht, sorgt für Donnerhall.
1.075 Kilogramm Leergewicht stehen in der Zulassungsbescheinigung Teil I (unter uns: „Fahrzeugschein“). Trotz Kohlefaser-Monocoque, einer aus dem gleichen Material gebackenen Karosserie und Aluminium am Rahmen bleibt da kein Spielraum für Dämmmaterial. Direkt hinter den beiden Sitzen wird der Maschinenklang orchestriert. Als Subwoofer fungiert der im Testwagen verbaute Sportauspuff, Teil eines Sportpakets. Ob der Alfa 4C mit normaler Abgasanlage merklich leiser ist? Ich weiß es nicht. Ob er mit der ebenfalls erhältlichen Akrapovic-Anlage noch gewaltiger klingt? Ich glaube, ich will es gar nicht wissen.
Schon im Normal-Modus der DNA-Fahrmodussteuerung (Dynamic, Neutral, All Weather), schnalzt der nur 3,99 Meter lange Sportwagen auf die kleinste Bewegung des Gasfußes nach vorne, als ob er in eine Steinschleuder gespannt worden wäre. Das Doppelkupplungsgetriebe sorgt für Gangwechsel ohne Zugkraftverlust. Ehe du dich versiehst, donnert der gelbe Keil mit Landstraßentempo nach vorne. Die servolose Lenkung macht den Fahrer zum Dirigenten der Ideallinie, der 4C folgt dir auf den Millimeter. Nicht nur bei der Geschwindigkeit, auch beim freien Auslauf über Serpentinenstrecken setzt sich der 4C gewiss en paar Grenzen. Die sind aber unsichtbar, weit jenseits von Mut und Straßenverkehrsordnung. Das erfordert einen durchaus gefestigten Charakter, ist aber machbar.
Wird der Hebel in der Mittelkonsole auf „D“ gestellt, spannt der Alfa Romeo 4C seinen drahtigen Körper weiter an. Ja, es geht also noch lauter. Es wird später hochgeschaltet, wobei das DCT dann auch seine Manieren vergisst. Deutliche Lastwechselreaktionen erfordern Aufmerksamkeit vom Fahrer. Eine leicht feuchte Autobahn wird dann plötzlich auch bei angeforderter Längsbeschleunigung zum Tanzparket für die angetriebene Hinterachse. Den Race-Modus mit deaktivierter Traktionskontrolle und ohne ESP lassen wir lieber unangetastet.
Man muss den Ingenieuren bei Alfa Romeo und ihren Chefs bei FCA Tribut zollen. Dafür, dass man mit dem 4C einfach mal gemacht hat, was geht. Ein tolles Coupé, dazu eine offene Version? Das leistet sich jeder Autobauer gerne irgendwann mal. Da wird dann eine existierende Plattform genommen, möglichst viele Gleichteile mit anderen Modellen kommen zum Einsatz und die Kunden kaufen das emotionalisierte Produkt.
Und der 4C? Der ist anders. Radikaler. Ein Rennwagen eigentlich. Die müssen bei Alfa irgendwann einmal den Giulietta-Motor auf einem Leiterwagen verschraubt haben und sind damit am Wochenende nur so zum Spaß durchs Werksgelände gedriftet. Dann kam der Chef ums Eck und sah, was werden musste. Dallara besorgte die Kohlefaserwanne, in die neben dem Motor auch Fahrer nebst Beifahrer, ein paar erstaunlich hemdsärmelige Bedienelemente im Cockpit und sonst eigentlich nichts mehr hineinpassen. Und dann besorgt es einem der daraus entstandene 4C. Aber so richtig. Täglich. Mehrmals täglich. Die Droge wirkt, Du willst mehr. Du willst es öfter.
Das Entzugsprogramm ist schnell gefunden. 400 Kilometer im strömenden Regen über eine deutsche Autobahn im Alfa 4C? Kann man machen, muss aber nicht (mehr) sein. Du kauerst so flach über dem Boden, dass die LED-Scheinwerfer der anderen Autos direkt in den Rückspiegel und damit in deine Augen blenden. Die Gischt der vorausfahrenden Fahrzeuge schlägt Dir unvermittelt auf die Windschutzscheibe, der einsame Scheibenwischer leistet Akkordarbeit. Jede LKW-Furche im Asphalt missverstehen die P Zeros als Kurvenstrecke und wieseln direkt hinein. Spurwechsel über Fräskanten? Heftiger als ein Bordstein im Stelvio.
Irgendwann steigst du aus und denkst dir, das mit der Entwöhnung hat jetzt aber endlich geklappt. Nur, um dann zwei Tage später wach im Bett zu liegen, daran zu denken, wie es jetzt wäre mit dem Alfa nochmal… aber ach so, die Nachbarn.
Schluss mit dem Getippe. Ich muss dann mal schnell ins Bad. Mir die Sabberfäden aus den Mundwinkeln wischen.
Die technischen Daten findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Alfa Romeo 4C Spider |
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Hubraum | 1.742 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 177 kW / 240 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 2.200 - 4.250 U/min |
Getriebe | 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 4,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 257 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,9 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,5 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli P Zero 205/40 R18 vorne, 235/35 R 19 hinten |
Leergewicht | 1.075 kg |
Länge / Breite / Höhe | 3.990 / 1.868 / 1.189 mm |
Grundpreis | 72.000 Euro |
Testwagenpreis | 87.200 Euro |