Emotionen, Adrenalin und optische Reize: Unterwegs mit der Alfa Romeo Giulia GTAm.
Das Heck drückt von hinten, die Lenkung öffnet sich. Wie auf einer Kanonenkugel lässt du dich nach vorne katapultieren. Der rechte Finger zuckt, per Schaltwippe knallt die ZF-Automatik den dritten Gang hinein, begleitet von einem dumpfen „Plopp“ aus den beiden armdicken Endrohren. Nur ein Wimpernschlag, dann ist man wieder (fast zu) schnell. Anbremsen. Einlenken. Die Michelin Pilot Sport Cup krallen sich in den feuchten Asphalt. Das Heck hilft mal wieder mit – haargenau bis kurz vor die Regelgrenze der Stabilitätskontrolle.
Der Ausritt im Video
So geht das dann gerne den ganzen Nachmittag weiter. Bis der Tank leer ist und zum Stopp zwingt. Was angesichts der 58 Liter Füllvolumen und über 20 Litern Realverbrauch bei sportiver Fahrweise (stets unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung) zügig der Fall ist.
Bringen wir es auf den Punkt: Im Kleid der Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio, mit 510 PS und teils kranken Fahrleistungen schon für sich ein Heißsporn, haben die Italiener einen Supersportwagen auf die Straße gestellt. Während andere Marken, von denen Kunden und Händler dringend mal ein Lebenszeichen bräuchten, Studien von Elektroautos und SUV zeigen, haben sich die Alfa-Jungs in die Schweiz begeben. Im Windkanal von Sauber Engineering entstanden die Sondermodelle Giulia GTA und GTAm.
Doppelt so teuer wie die Basis
Vorne liegt das Geschoss nochmals tiefer. Luftleitelemente an der Front und neue Seitenschweller lenken den Wind. Am Heck trägt die Giulia GTA größere Spoiler-Höcker, das GTAm-Modell einen mächtigen Flügel.
Als Baumaterial kommt Carbon in verschwenderischem Maße zum Einsatz: Stoßfänger vorne, Seitenschweller, vordere Kotflügel und Spoiler – alles besteht aus dem teuren Verbundmaterial, ebenso Motorhaube und Dach (wie beim Serienmodell). Das erklärt den heftigen Preis der GTA-Alfas von 173.000 (GTA) bzw. 178.000 Euro (GTAm). Immerhin fast doppelt so viel wie für die Giulia Quadrifoglio.
Der 2,9-Liter-V6 leistet, u.a. dank höher drehender Turbolader und einer neuen Akrapovic-Abgasanlage, 30 PS mehr. 397 kW / 540 PS stehen also im Datenblatt, das maximale Drehmoment bleibt mit 600 Newtonmetern unverändert.
All diese Einzelteile versammeln sich zum großen Orchester. Vor dem Soundtrack der Endrohre versammeln sich Adrenalin und Präzision. Auf den starren Schalensitzen von Sabelt ist man in den Sechspunktgurten gefesselt. Das griffige Sportlenkrad und frei Sicht nach vorne: Mehr ist heute nicht nötig, um glücklich zu sein.
Supersportwagen mit vier Türen
Auf öffentlichen Straßen belasse ich es beim „Dynamic“-Fahrmodus. „Race“ wäre auch noch möglich, aber dann legt sich das ESP schlafen. Und zickig ist Giulia an der Hinterachse auch so schon. Schade, dass die Ingenieure (oder waren es die Kostenwächter?) keine Stufe mit später regelnder Stabilitätskontrolle ins Auto konstruiert haben.
Fahrgefühl und Fahrleistungen entsprechen der Supersportwagen-Liga. Dass der große Spoiler am Heck, der sich auf der Rennstrecke für mehr Anpressdruck auch verstellen lässt, nur 300 statt 307 km/h Höchstgeschwindigkeit erlaubt? Geschenkt. 3,6 Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h sind viel eindrucksvoller.
Dazu passt, dass dem GTAm für maximale Gewichtsreduktion (er wiegt 100 kg weniger als die Giulia Quadrifoglio und 25 kg weniger als die GTA-Variante) die Rücksitzbank fehlt, die hinteren Scheiben sind aus leichtem Polycarbonat statt Glas. Im Gegenzug zieht ein Überrollbügel ein, außerdem ein Feuerlöscher sowie Ablageschalen für Helme.
Ein Rennwagen mit Straßenzulassung also, der sonst nichts kann? Mitnichten. So wie jede Extase mit einem Vorspiel beginnt, lässt sich die Giulia GTAm ganz zivilisiert durch den städtischen Verkehr und über die verkehrsreiche Autobahn führen. Die Federung bietet ausreichenden Komfort, es gibt sogar einen Kofferraum.
Auch die Nachbarn freuen sich. Im Gegensatz zu Ferrari, Lamborghini und Co. schreit sie ihre Lust an Geschwindigkeit nämlich nicht sofort nach dem Aufwecken heraus. Ja, sie klingt verrucht. Aber auf dezente Art und Weise.
Man kann also gemeinsam ausgehen. Dabei erntet man neidische Blicke, wird aber nicht zum Gerede. Erst wenn wir wieder unter uns sind, kommt sofort der Gedanke: „Gib´s mir“. Das tolle dabei: Fahrer und Auto denken das im gleichen Augenblick.
Fazit
Ist es wirklich förderlich für die Marke Alfa Romeo, die Quadrifoglio-Idee derart ausufern zu lassen, anstelle Autos für eine breite Käuferschicht an den Start zu bringen?
Da kann man eifrig nicken. Um sich dann ganz schnell den Schlüssel zur Giulia GTAm zu schnappen. Der Sportwagen im Kleid einer sexy Limousine macht erst an, dann süchtig. Einige der nur 500 geplanten Autos sind noch verfügbar. Wer vielleicht gerade vorhatte, sich einen Lamborghini Huracán oder Ferrari Roma zu kaufen, sollte nochmal kurz nachdenken…
Technische Daten
Alfa Romeo Giulia GTAm |
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Abgasnorm | Euro 6d Final |
Hubraum | 2.891 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 397 kW / 540 PS bei 6.500 U/min |
Max. Drehmoment | 600 Nm bei 2.500 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Tankinhalt | 58 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 3,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 300 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 11,8 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 20,2 Liter (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport Cup 2 265/30 R20 vorne, 295/30 ZR20 hinten |
Leergewicht | 1.635 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.654 / 1.923 / 1.445 mm |
Grundpreis | 178.000 Euro |