Der elektrische Mercedes eVito Tourer im ersten Fahrbericht mit Video-Review. Ist er eine Alternative zum EQV?
Okay, dann arbeiten wir uns von unten nach oben hoch. Und das, obwohl wir schon sehr hoch sitzen, auf viele SUV herabblicken. Noch vor dem ersten Kennenlernen mit dem EQV, der elektrischen V-Klasse, übergibt Mercedes den Schlüssel zum neuen eVito Tourer. Der Vito teilt sich die Basis und auch die Karosserie mit der V-Klasse, ist mit einer Bandbreite vom Kastenwagen mit verschiedenen Antriebslayouts über den „Mixto“ für Team- und Materialtransport bis hin zum Tourer das anpassungsfähige Nutzfahrzeug.
Der eVito im Video-Review
Der eVito Tourer wird vornehmlich von Taxiunternehmen und Shuttlediensten eingesetzt. Gerade für deren Einsatzzweck mit vielen Strecken im urbanen Raum oder stets gleichen Routen mit Lademöglichkeit am eigenen Standort (z.B. des Hotels) drängt sich ein Elektroantrieb im Kleinbus geradezu auf.
Im Gegensatz zum eVito-Transporter, der mit überschaubarer Reichweite für die letzte Meile im Verteilerverkehr gedacht ist, verspricht die WLTP-Norm für den neuen eVito Tourer eine Reichweite von bis zu 421 Kilometern. Im Fahrzeugboden des 5,14 oder 5,37 Meter langen Mercedes steckt eine 100 kWh (brutto) große Lithium-Ionen-Batterie.
E-Antrieb mit 150 kW (204 PS)
Beim Start der Probefahrten verspricht der Bordcomputer eine Reichweite von 356 Kilometern mit vollem Akku (90 kWh Netto-Kapazität). Maximal 150 kW (204 PS) und 362 Nm Drehmoment lässt der Elektromotor frei, wenn es hurtig vorangehen soll. Im Comfort-Modus steht diese Leistung bei Bedarf immer an. Im Economy-Modus sind es 100 kW (293 Nm), in „Economy +“ 80 kW. Aber auch dann gilt: Bei einem Kickdown-Befehl über das Fahrpedal sammelt sich die volle Leistung des Elektromotors – Sicherheit geht vor Sparsamkeit.
Wir gleiten mit dem gut vor Abrollgeräuschen gedämmten eVito Tourer über Landstraßen. 70 kW (95 PS) Dauerleistung reichen aus, um entspannt mitzuschwimmen. Die Rekuperation von Energie überlässt man im Modus „D Auto“ der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage. Über Schaltpaddels hinter dem Dreispeichenlenkrad kann man sie über vier Stufen auch manuell regeln.
Ein „One-Pedal-Feeling“ gibt es zwar nicht ganz. In der höchsten Rekuperationsstufe verzögert der eVito ab sehr deutlich und linear bis auf (Tach) acht km/h. Erst dann muss man die Bremse betätigen, um wirklich zum Stillstand zu gelangen. Nach ein paar Versuchen kann man den großen Benz damit sehr gut an Haltelinien oder Kreuzungen heranbringen, ohne viel zu bremsen.
Das Exterieur des eVito Tourer lässt sich, analog zu seinen Verbrenner-Brüdern mit Dieselmotor, fast auf V-Klasse-Niveau bringen. Wer LED-Scheinwerfer, in Wagenfarbe lackierte Stoßfänger und Chromdekor am Kühlergrill bestellt, bekommt den großen Auftritt. Der Testwagen verzichtet auf das Chichi. Diese Ehrlichkeit hat aber auch ihren Reiz.
Schnellladen mit bis zu 110 kW
Vorne links im Stoßfänger befindet sich übrigens der Ladeanschluss. Hier zieht der eVito Tourer Wechselstrom (z.B. an Ladesäulen) mit bis zu 11 kW. Über CCS fließt Gleichstrom am Schnelllader mit bis zu 50 kW, gegen Aufpreis sogar mit maximal 110 kW.
Die Position des Ladeanschlusses passt gut zum Parkplatz am Schnelllader. Längsparker in der Stadt hantieren mit dem Kabel aber stets auf der dem fließenden Verkehr zugewandten Seite. Außerdem ist die Position der Anschlüsse im direkten Kampfgebiet bei Parkplatzremplern positioniert.
Nutzfahrzeug-Cockpit im Tourer
Das Interieur des Vito Tourer unterscheidet sich grundlegend von der teureren Mercedes V-Klasse . Während dort ein freistehendes Display und mittlerweile die neueste Infotainmentgeneration mit MBUX eingezogen ist, zeigt der Vito die praktischen Seiten des Nutzfahrzeug-Armaturenbretts.
Viele Ablagen und Getränkehalter überzeugen auch bei der privaten Nutzung des Autos. Die analogen Rundinstrumente mit monochromem Display dazwischen sind sehr gut ablesbar. In der hoch aufragenden Mittelkonsole werden die bekannten Audiosysteme mit optionaler Navigation eingebaut.
Hier ist der eVito Tourer nicht auf der Höhe der Zeit. Das Smartphone lässt sich nur per Bluetooth verbinden, nicht aber über CarPlay integrieren. Eine Routenführung mit Echtzeit-Verkehrsinformationen ist also nicht möglich, das werksseitige Navi nutzt keinen Onlinezugang.
Bis zu vier Kindersitze lassen sich in den beiden hinteren Sitzreihen mit Isofix arretieren. Auch dann bleibt noch Platz für Buggies, ein Schlaubboot oder sonstige Gegenstände, die unbedingt mit auf die große oder kleine Tour müssen.
Preisvergleich mit dem EQV
Davor steht der Gang zum Händler an. Der bittet um Bereithaltung von mindestens 53.990 Euro (netto, 62.628,40 Euro inklusive 16% MwSt.). Damit ist der eVito Tourer im Vergleich zum EQV circa 7.000 Euro günstiger. Die Wartungsarbeiten für vier Jahre ab Erstzulassung sind mit dem Kaufpreis bereits abgegolten. Auf die Batterie wird eine Garantie von acht Jahren (160.000 Kilometer) gewährt.
Fazit zum eVito Tourer
Der leise und ausreichend kräftige Elektroantrieb passt sehr gut zum Großraumvan aus dem Haus Mercedes-Benz. Der eVito Tourer richtet sich vornehmlich an gewerbliche Kunden, die mit dem Transport von Personen ihr Geld verdienen.
Als wenig effekthaschender und dafür praktischer Familientransporter empfiehlt er sich aber auch Privatkunden als etwas günstigere Alternative zum EQV auf Basis der V-Klasse. Auch sie können sich über eine alltagstaugliche Reichweite von deutlich über 300 Kilometern im realen Leben freuen. Verzichten muss man nur auf etwas Glamour.
Technische Daten
Mercedes-Benz eVito Tourer |
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Elektromotor: Maximale Leistung kW | 150 kW (204 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 70 kW (95 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 362 Nm |
Batterie | 100 kWh (brutto), Lithium-Ionen-Batterie |
Höchstgeschwindigkeit | 140 km/h (optional 160 km/h) |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 26,2 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | ca. 30 kWh (lt. Bordcomputer) |
Länge / Breite / Höhe | 5.140 / 1.928 / 1.880 mm |
Grundpreis | 53.990 Euro (netto / 62.628,40 Euro (brutto inkl. 16% MwSt.) |