Wie sich zwei neue Player an den deutschen Kunden pirschen.
Wie sehr sich neue Wege doch ähneln können. Der Europa-Vertriebschef von Borgward, der ehemalige Schweizer General Motors- und Volvo-Manager Tom Anliker, hat der Automobilwoche die Pläne für Borgward in Deutschland, Österreich und der Schweiz offengelegt. Einige dabei erinnert an einen neuen Mitbewerber.
Der klassische Samstagsausflug zur Automeile vor den Stadttoren hat wenig Zukunft. Um die Kunden nicht nur räumlich, sondern vor allem zeitlich besser zu erreichen, zieht es Autohersteller in die Innenstädte. Concept Store statt Glaspalast.
Im Londoner Shopping Center Westfield kann man heute schon Tesla und bald DS begutachten und kaufen. In München hat gegenüber vom Maserati-Café die Jaguar-Land Rover Markenboutique ihre Pforten geöffnet.
Auch Borgward wird auf solche Markenerlebnis-Läden setzen, Tom Anliker spricht vom „Brandcenter“. Ein erstes soll schon Mitte 2017 entweder in Stuttgart (Hauptsitz der Firma), Bremen ( ehemaliger Sitz und bald mit Endmontage, Bericht hier ) oder Berlin (weil es halt hip ist) entstehen. Mittelfristig sollen es 20 bis 30 Center in Deutschland werden.
Für den Service möchte Borgward mit einer der großen Werkstattketten kooperieren, die sämtliche Wartungs- und Inspektionsarbeiten erledigen können. Für komplexere Aufgaben am Antrieb – wie bereits berichtet möchte Borgward bei und mit elektrisch angetriebenen Versionen von BX5 und BX7 an den Start gehen – sollen Kompetenzzentren entstehen, die das nötige Knowhow und die Ausrüstung besitzen.
So fremd das noch klingt, dies scheint sich schneller als gedacht als neuer Weg in der Automobilvermarktung durchzusetzen. Denn nicht ohne Grund gibt Borgward wohl jetzt Gas, möchte im Umfeld der IAA 2017 mit einer Marketingkampagne starten und dann 2018 die ersten Autos verkaufen. Denn für Ende 2018 hat Lynk & Co ( Vorstellung der Marke hier ) den Europastart des ersten Modells 01 angekündigt.
Wie Borgward konzentriert sich auch Lynk & Co vorerst auf SUV, ebenfalls elektrifiziert und elektrisch, und kommt auch aus China. Auch Lynk & Co möchte seine Autos ohne typische Händlerbetriebe verkaufen, stützt sich für den Service aber auf das Werkstattnetz der Konzernschwester Volvo.
Ob man nun seinen Lynk & Co beim Volvo-Partner zur Durchsicht abgibt oder mit dem Borgward bei der Werkstattkette vorstromert: Es kann gut sein, dass dieses noch fremde Szenario für die kommenden Kunden ganz normal sein wird – das teure Smartphone wird doch heutzutage auch beim Vodafone-Servicecenter zur Reparatur oder zum Austausch abgegeben, das gesprungene iPhone-Display lässt man beim „Handydoktor“ austauschen.
Wenn man sich aber das oft fragwürdige Abschneiden solcher Betriebe in Werkstatttests der großen Autozeitschriften vor Augen führt, kann das klar der Flaschenhals im Borgward-Markenerlebnis werden. Spezielle Marken-Ecken für Borgward soll es in den Servicebetrieben nicht geben. „Viel wichtiger als die Präsentation der Marke etwa in einem abgetrennten Bereich ist für uns, dass die Betreuung der Kunden so abläuft, wie wir uns das vorstellen“, erklärt Tom Anliker im Automobilwoche-Interview. Dafür soll das Personal entsprechend geschult werden.
Auch ich finde: Eine gute Betreuung und vor allem eine gute und präzise Arbeit sind wichtiger als das Firmenlogo auf dem Hemdkragen oder ein Automat für zu dünnen Kaffee. Es bleibt also spannend, zu sehen, ob sich solche Konzepte, bei dem sich ein neuer Autohersteller im After Sales auf eine dritte Partei stützt, in der Realität funktionieren.
Das zumindest im Vertrieb neue Wege funktionieren können, zeigt leider die satte Haltung traditioneller Handelsbetriebe deutlich, wie ich es in diesem Beitrag zusammengefasst habe .