Nicht nur Engpässe bei Batterien, sondern auch Wasserstoff sind wieder im Gespräch.
Spätestens nach der öffentlichen Ansage des Volkswagen-Konzernchefs Herbert Diess, dass man voll und ganz auf das batterieelektrische Auto als zukünftiges Antriebsmodell setzt, scheint die Marschrichtung in den Medien und auch den Vorgärten klar. In ist, bei dem der Stecker drin ist.
Für Müllers, Schmidts und Co. wirken da Bestrebungen asiatischer (Hyundai, Toyota) und amerikanischer (
Nikola Motors
) Hersteller in Sachen Brennstoffzelle irgendwie gestrig. Beginnen wir mit einer kurzen Erklärung der Wirkungsweise.
Im Batterie-Elektroauto wird der benötigte Strom von außen zugeführt und in großen Akkupacks gespeichert. Um den Menschen die Reichweitenangst zu nehmen, wachsen mit den Batterien auch die Autos außen herum. 95 kWh Speicherkapazität im Audi e-tron dürften im realen Fahrbetrieb für ca. 320 Kilometer reichen. Nach dem Verbrauch fragt irgendwie niemand, der ist in kleineren Autos natürlich niedriger. In einer ersten Probefahrt mit dem Kia e-Niro zeigte der Bordcomputer einen Strombedarf von 14,2 kWh auf 100 Kilometer an, rein rechnerisch käme er mit den 64 kWh der großen Batterieversion also 450 Kilometer weit. Das reicht in den meisten Alltagsszenarien mehr als aus.
Ob nun ein Stromnetz wirklich kollabiert, wenn Bayern und Baden-Württemberg gemeinsam in die Ferien starten und sich hunderte von urlaubshungrigen Elektroautofamilien am Rasthof versammeln, um nachzuladen, muss sich zeigen. Dem dürfte viel mehr die menschliche Ungeduld im Wege stehen. Schon heute nervt es, seien wir mal ehrlich zu uns selbst, doch schon, wenn man an der Benzin- oder Dieselzapfsäule warten muss, weil ein oder gar mehrere Autos vor einem stehen. Wie wird das nun, wenn der Vordermann nicht nur tankt und dann „noch drei Schachteln Zigaretten, vier Schokoriegel und drei Cola bitte – und ach so, hier sind ja noch Toilettenbons“ bezahlen geht – sondern sein Auto 30-45 Minuten am Schnellader hängt bevor man selbst ´ran darf? Auch das kann man nur herausfinden.
Schneller geht es natürlich, wenn das elektrische Auto den Strom für seinen Antrieb während der Fahrt selbst herstellt. Als Speichermedium wird in diesem Fall Wasserstoff verwendet, der in einer Brennstoffzelle mit Saugerstoff reagiert und damit Strom erzeugt. Über eine kleine Pufferbatterie steht dieser dann dem Elektromotor zur Verfügung. Als Emission stößt das Brennstoffzellenauto Wasserdampf aus.
Nach medienwirksamen Tests von BMW in den 1980er Jahren, bei denen Wasserstoff für Verbrennungsmotoren verwendet wurde, kam die Entwicklung zumindest in Europa nicht so richtig voran. Zumindest, was man nach außen verlauten lässt. Gerüchten zufolge stehen fertige Brennstoffzellenautos bei vielen Herstellern fertig entwickelt herum.
Die Achillesferse ist ganz klar die Herstellung von Wasserstoff. Hierfür muss viel Energie, auch „schmutziger Strom“ aufgebracht werden. Sollte es irgendwann der Gesetzgebung gelingen, eine Erlaubnis für den Weiterbetrieb von Windparks zur Herstellung überflüssigen Stroms zu erteilen, könnte dieser vor Ort durch Elektrolyse von Wasser in Wasserstoff umgewandelt und somit kostensparender und einfacher gelagert werden als in riesigen Batterien.
Speditionen könnten ihre Fuhrparks von Brennstoffzellen-LKW an ihren Lagerstandorten mit solchem „sauberen“ Wasserstoff tanken und unterwegs einfach Tankstellen ansteuern. Von denen gibt es aktuell noch sehr wenige, 64 Stationen sind in Deutschland am Netz. Bis Ende 2019 sollen es 100 werden.
Vom einstigen Plan, bis 2023 400 Tankstellen in Deutschland zu etablieren, ist man aufgrund des geringen Fahrzeugbestands wieder abgerückt. Toyota hat seit 2015 347 Mirai in Deutschland verkauft, gut 7.200 Exemplare weltweit. Nicht pro Jahr. Seit 2015. Eigenzulassungen inklusive. Dagegen wirken 300 Hyundai Nexo seit dessen Marktstart im August 2018 schon fast inflationär. Über die Zahl der Leasingkunden für den GLC F-Cell, der als Plug-in-Hybrid neben der Brennstoffzelle auch eine größere Batterie für 50 Kilometer Reichweite mitbringt, schweigt sich Mercedes aus.
Was diese drei ersten (Klein-)serienautos eint: Sie sind sehr teuer. Der Mercedes kostet im Leasing ab 799 Euro (netto) im Monat. Der Hyundai Nexo ist für 69.000 Euro zu haben, der Toyota Mirai für stolze 78.600 Euro. Immerhin kann er mit einem Fördertrick verhältnismäßig günstig geleast werden.
Zu den teuren Autos kommt der Wasserstoff an der Tankstelle. Der kostet einheitlich 9,50 pro Kilogramm, 100 Kilometer Fahrt entsprechen also Energiekosten wie ein Benziner. Auch auf der jüngsten Langstecken-Probefahrt hat der Toyota Mirai 1,3 kg Wasserstoff pro 100 Kilometer verbraucht.
Der Preis für Wasserstoff ist ein festgelegter Marktpreis. Ob Firmen wie Linde hier Ermöglicher oder Verhinderer sind, die den Tarif künstlich oben halten, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Klar ist: Könnte durch mehrere Elektrolyse-Anlagen (siehe oben) mehr Wettbewerb entstehen, dürfte man sinkende Preise sehen.
Was auch für die Fahrzeuge gilt. Toyota hat in Aussicht gestellt, dass der Nachfolger des Mirai günstiger wird. Wohl auf der Tokyo Motor Show im Oktober 2019 wird die neue Generation als Studie gezeigt, sie dürfte 2020 zeitgleich mit den Olympischen Spielen in Tokio auf den Markt kommen. Dem SUV-Trend zum Trotz bleibt Toyota auch beim Mirai der zweiten Generation der Limousine treu, will das Modell als „GT“, als Reisewagen verstanden wissen.
Auf der Reise mit dem Mirai machen wir Halt bei einer Tankstelle in Münster. Hier fällt der mit 21 Meter ungewöhnlich hohe Wasserstoffspeicher auf. Der Grund: Die Stadt Münster setzt ab Juni 2019 Wasserstoffbusse im ÖPNV ein, die hier betankt werden. Aktuell verkauft man, so ein Vertreter des regionalen Anbieters, 130 Kilogramm Wasserstoff im Monat, die Kunden sind zumeist Fernreisende von der nahen Autobahn A1.
Das Ziel der Ausfahrt ist Hamburg im Norden der Republik. Und das mit einem guten Grund. Hier liegt der Energy Observer im Hafen. Der Hochseekatamaran ist seit 2017 unterwegs und folgt der Mission, komplett autark und nur mit Energie aus regenerativen Quellen versorgt zu werden.
168 Quadratmeter Solarzellen auf dem High-Tech-Boot erzeugen Strom, mit dessen Hilfe Wasser entsalzt und zweifach entmineralisiert wird, bevor daraus an Bord Wasserstoff hergestellt wird. 62 Kilogramm des Gases werden mit einem Druck von 350 Bar gespeichert und diesen der Brennstoffzelle als Energiequelle. Auch die Schiffsschraube wird zur Stromgewinnung verwendet, sie läuft mit, wenn der Katamaran Segel setzt und mit Windkraft vorankommt.
Der Strom aus den Solarzellen allein würde nicht für die Versorgung an Bord ausreichen, eine Batterie wäre deutlich schwerer als 62 Kilo – laut Skipper so schwer, dass der Katamaran sinken würde. Auch hier zeigt sich ein Vorteil der Wasserstoff-Technologie. Aber nur, weil er aus erneuerbaren Quellen vor Ort hergestellt wird.
Kommen wir wieder zurück auf die Straße. Hier zeichnet sich schemenhaft ein größeres Angebot ab. Es wirkt gar, als ob Firmen und Manager es plötzlich nicht mehr verwerflich finden, laut über die Brennstoffzelle nachzudenken. Mehr als das. Der Zulieferer Bosch hat angekündigt, gemeinsam mit dem schwedischen Kooperationspartner Powercell in die Serienproduktion von Brennstoffzellen einzusteigen. Spätestens 2022 soll es soweit sein. Nach Nutzfahrzeugherstellern im ersten Schritt will man auch PKW-Marken zu seinen künftigen Kunden zählen.
Während Toyota mit dem kommenden Mirai im Jahr 2020 die Produktion auf 30.000 Autos im Jahr verzehnfachen will, plant Hyundai wesentlich größer. Die Koreaner haben angekündigt, im Jahr 2030 Kapazitäten von 700.000 Brennstoffzellen im Jahr aufgebaut zu haben. 500.000 davon sollen PKW und Nutzfahrzeuge antreiben, die restlichen 200.000 Schiffe, Gabelstapler und stationäre Anlagen mit Strom versorgen.
2020 rollen in der Schweiz die ersten Hyundai-LKW mit Wasserstofftanks an, 1.000 Fahrzeuge will man dort in Zusammenarbeit mit einem Logistikunternehmen in den Verkehr bringen. Toyota, die im Rahmen ihrer "Environmental Challenge 2050" nicht nur die produzierten Autos und Nutzfahrzeuge, sondern auch die Werke und Logisitik CO2-neutral gestalten wollen, stellt zu den olympischen Sommerspielen 2020 eine Flotte von Brennstoffzellenbussen an den Start.
In China wurde vor kurzem ein batterieelektrisches Elektroauto auf Basis des C-HR vorgestellt. Nach Europa wird er, ersten Informationen zufolge, nicht kommen. Das für 2020 angekündigte erste Elektroauto mit Toyota-Logo in Europa dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach der Proace werden, ein mit PSA gemeinsamproduzierter Kastenwagen und Großraumvan.
Und auch Manager im Umfeld von E-Auto-Fan Herbert Diess wagen sich aus der Deckung. Audi-Chef Bram Shot hat dem britischen Magazin Autocar gegenüber bestätigt, dass die Marke noch im Jahr 2019 die Studie eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs zeigen will. 2021 könnte das Auto im Rahmen eines Leasingprogramms auf den Markt kommen.
„Wir wollen hier wirklich Gas geben“, wird Bram Schot zitiert. „Wir geben der Brennstoffzelle eine höhere Priorität und investieren mehr Geld, mehr Manpower und mehr Zuversicht.
Über Audi kooperiert der Volkswagen-Konzern auf dem Gebiet des Wasserstoffautos mit Hyundai. Auch Bentley könnte die Technologie nutzen, dort will man im Sommer 2019 seine Elektro-Strategie und den Einsatz der verschiedenen Technologien bekanntgeben.
Im Moment leiden Kunden, die sich für Elektroautos interessieren, unter der mangelnden Verfügbarkeit von Batterien. Der Hyundai Kona Elektro, ein zurecht erfolgreiches, weil sehr gutes und voll alltagstaugliches Auto, ist nicht bestellbar. Kia verärgert Käufer des e-Niro mit Lieferzeiten von weit über 12 Monaten. Beim e-Soul wird es nicht anders sein.
Audi schraubt, Medienberichten zufolge, die Produktion des e-tron zurück, weil Akkus fehlen. „Wenn das so bleibt“, sagte Markenvorstand Schot in Autocar, „dann muss man den kostengünstigsten und effizientesten Weg für das elektrische Fahren einschlagen. Und dann kommt man zur Brennstoffzelle.“
Ob sich Toyota, Hyundai, Bosch und Audi verzetteln? Nein. Weil sie mehrgleisig fahren, sich nicht nur auf eine Technologie konzentrieren, sondern batterieelektrische Fahrzeuge ebenso wie Brennstoffzellenautos in ihre Planungen mit aufnehmen.
Dieser Text ist kein Pamphlet für den Wasserstoff als Energiequelle und gegen das batterieelektrische Auto. Er soll mehr eine Motivation sein, offen zu denken. Fahrstrom wird, sobald die Einnahmen aus der Mineralölsteuer ausbleiben, nicht immer günstig bleiben. Irgendwann werden auch bei ihm die Versorgungskonzerne ein Netz aufbauen, auf längeren Strecken bleibt man davon abhängig wie heute vom Mineralöl-Multi. Die dürften sich auch vermehrt um das Thema Wasserstoff kümmern. Warum auch nicht? Die (meist gut erreichbaren) Tankstellen sind vorhanden, die bestehende Infrastruktur kann genutzt werden.
Nicht nur dann, wenn man im Mirai nach Hamburg fährt, um sich ein Schiff anzusehen. Sondern auch auf den Fahrten zur Familie, in den Urlaub oder zum Kundentermin. Und vor allem, wenn man eine tonnenschwere Ladung durch das Land oder den Kontinent speditiert.
"Womit fahren wir in die Zukunft?" wird in der Überschrift gefragt. Die Antwort ist: Vornehmlich mit dem Elektroauto, dass sich seine Energie aus der Batterie holt. Lithium-Ionen-Akkus und hoffentlich bald mit leichteren und leistungsstärkeren Festkörperbatterien. Die Frage "womit fahren wir in der Zukunft?" sollte jedoch toleranter beantwortet werden. Denn für lange Strecken, schwere Ladungen und in Regionen mit weniger gut ausgebauter Ladeinfrastruktur ist die Brennstoffzelle die perfekte Ergänzung.
Der Autor selbst fährt übrigens einen Benziner, hält eher weniger von nur auf dem Papier effizienten Plug-in-Hybriden aber könnte sich ein batterieelektrisches Auto in der heimischen Garage sehr gut vorstellen.
Im Video: Der Toyota Mirai im Alltagstest