Dacia als Erfolgsmodell Wer traut sich?

Dacia zeigt, wie man mit günstigen Autos große Erfolge feiern kann. Warum setzt kein anderer Autobauer auf das gleiche Rezept?

Eigentlich läuft es folgendermaßen: Ein Autohersteller kreiert ein neues Segment oder fährt eine ungewohnte Marketingstrategie, dann ziehen viele andere nach. So geschehen mit den kompakten Vans, Startpunkt Renault Mégane Scenic, oder den Kompakt-SUV nach dem „Fun Cruiser“ Toyota RAV4. Tesla hat das Elektroauto erst sexy und dann massentauglich gemacht, treibt jetzt die etablierten Autohersteller in vielen Märkten vor sich her.

Dacia seit 2005 bei uns

Und dann gibt es noch Dacia. Die rumänische Marke kam nach dem Zusammenbruch des Ostblocks unter die Fittiche des einstigen Kooperationspartners Renault. 2005 kam der Dacia Logan auf den Markt. Die kleine Limousine trug teils abgelegte Renault-Technik unter dem Blechkleid und wurde in Deutschland für 7.200 Euro verkauft. Eine Preisregion, in der damals nur Lada mitspielte – mit deutlich betagterer Technologie und teils haarsträubender Verarbeitung.

Aus Dacia ist längst ein internationaler Erfolg geworden. In Westeuropa werden mittlerweile vier Modellreihen angeboten. Der Kleinwagen Sandero, der Familienkombi Jogger und der SUV-Bestseller Duster fahren mittlerweile mit aktueller Konzerntechnik und modernen Plattformen vor. Der elektrische Dacia Spring kommt als Kooperationsprodukt mit Dongfeng aus China.

Fast 35.000 Autos der Marke Dacia wurden im ersten Halbjahr 2023 in Deutschland neu zugelassen, weltweit waren es 345.000 Exemplare. In Europa ist der Dacia Sandero, nach dem Tesla Model Y, das zweitmeistverkaufte Fahrzeug gewesen.

Im Video: Dacia Sandero

Die Zeiten eines Unter-10.000-Euro-Modells sind auch bei dieser Marke leider vorbei. Der Einstieg ins Modellprogramm kostet, in Form des Sandero Expression mit 90 PS starkem Turbo-Benziner, aktuell (Stand August 2023) 13.950 Euro. Jogger und Duster sind ab jeweils 16.900 Euro zu haben.
Rabatte gibt es keine, was auch den Dacia-Händlern Planungssicherheit bietet und die Restwerte für Gebrauchtwagen stabil hält. Die Produktplaner der Marke erreichen die günstigen Preise nicht nur durch den Griff ins Konzernegal, sondern auch durch Verzicht. Bei Dacia gibt es keine ausgefeilten Assistenzsysteme. Das kostet teils wichtige Sterne beim Euro-NACP-Crashtest, soll die Sicherheit der Insassen beim Unfall aber nicht verschlechtern.

Fassen wir also zusammen: Dacia nutzt die Einkaufsvorteile des Renault-Konzern (und der Allianz mit Nissan und Mitsubishi), um vertraute Technologie günstig anzubieten. Der Renault Clio, auch ein Kleinwagen und Plattform-Bruder des Sandero, kostet ab 18.350 Euro. Der Konkurrenz VW Polo ist laut Liste (bzw. Konfigurator) nicht unter 20.830 Euro zu haben.

Die steigenden Preise sind auch ein Grund für die starke Kaufzurückhaltung der Kunden. Warum reagieren die großen Autobauer nicht mit günstigen Angeboten? Aus Angst, die teuren Produkte der Kernmarken nicht mehr loszubekommen? Der Blick nach Frankreich zeigt: Trotz Dacia verkauft Renault noch immer Clio und Co., es kann also funktionieren. Es gibt viele offensichtliche Möglichkeiten für die Konkurrenz, dem Erfolg der Marke Dacia kurzfristig etwas entgegenzusetzen:

Seat als neue Billigmarke von VW?

Dacia Konkurrenz Seat Citroen China MG

Im Volkswagen-Konzern wurde erst viel Geld dafür ausgegeben, die kranke Tochter Seat wieder in die Spur zu bringen. Und dann nochmal viel Geld, um aus dem Sportlabel Cupra eine eigene Marke zu machen, die Seat jetzt verdrängt. Ob und was der Konzern mit Seat jenseits von Elektro-Rollern vorhat, ist ungewiss.

Mit relativ geringem Aufwand könnte Seat zum Dacia-Konkurrenten geformt werden. Der Kleinwagen Ibiza (aktuell ab 18.685 Euro) und sein SUV-Bruder Arona (ab 20.590 Euro) vertragen bestimmt noch ein – dieses Mal dann umfangreicheres – Facelift. Mit bewährter Technologie und auf kaufmännisch abgeschriebenen Produktionsanlagen lässt sich der Lebenszyklus der Baureihen verlängern, die Kostenvorteile in Form von günstigen Preisen an Kunden weitergeben. Ein Händler- und Servicenetz mit geschultem Personal existiert bereits, in den Verkaufsräumen kann man Seat als Budget-Marke neben Cupra platzieren.

Vom neuen chinesischen Konzernpartner Leapmotor ließen sich gewiss in Zukunft günstige LFP-Akkus beziehen, um auch ein preiswertes Elektroauto von Seat zu realisieren.

Stellantis mit Citroën oder Talbot?

Dacia Konkurrenz Seat Citroen China MG

Die französische Stellantis-Marke Citroën hat schon heute den Mut, sich keiner Premium-Liebäugelei hinzugeben. Man will komfortable Autos zu relativ günstigen Preisen anbieten. Mit dem neuen ë-C3, der ab 2024 für unter 25.000 Euro kommen soll, hat man sogar schon ein Elektroauto in der Preisregion des Dacia Spring (ab 22.750 Euro), könnte diesen bei Fahrkomfort und Antriebsleistung dabei locker überbieten.

Auch die Strategie in der Kompaktklasse geht auf. Im Gegensatz zu den Schwestermodellen nutzt der Citroën C4 die günstigere Kleinwagen-Plattform CMP und wird – als Verbrenner und Elektroauto – verhältnismäßig günstig angeboten. Citroën könnte schnell zur reinen Budget-Marke geformt werden, ohne dabei die Besonderheiten im Design und teils eigenwillige Ideen (Stichwort: Tablet-Halter für den Beifahrer) außer Acht zu lassen.

Bestehende Konzerntechnologie könnte bei Stellantis aber auch für eine neue Billigmarke eingesetzt werden, deren Name noch im Regal liegen dürfte: Talbot.

Oder machen es die Chinesen?

Dacia Konkurrenz Seat Citroen China MG

Aus China kommen derzeit viele Elektroauto-Marken mit Premiumanspruch nach Europa. Doch schon jetzt gibt es auch günstige Verbrenner-Modelle für Kunden mit begrenztem Budget. Indimo Automotive holt SUV der Marken BAIC und DFSK nach Europa. MG bietet das Kompakt-SUV ZS mittlerweile nicht nur als Elektroauto, sondern auch als Benziner an. Mit 17.990 Euro wird der 106 PS starke ZS zum Konkurrenten für den Dacia Duster.

Die Marke Dacia orientiert sich derweil weiter nach oben: 2025 kommt mit dem Bigster ein größeres SUV, das sich im Modellprogramm über dem Duster einordnet. Es bleibt zu hoffen, dass trotzdem auch weiterhin günstige Basismodelle im kleinen Format entwickelt und vermarktet werden. Damit sich auch in Zukunft noch eine breite Schicht von Privatkunden einen Neuwagen leisten kann (und will).

Fazit

Dacia Konkurrenz Seat Citroen China MG

Es ist verwunderlich, dass der anhaltende Erfolg der Budget-Marke Dacia noch keine Nachahmer auf den Plan gerufen hat. Der Volkswagen-Konzern hat einst Skoda umpositioniert und könnte jetzt Seat für die Rolle rückwärts nutzen, auch bei Stellantis gibt es Optionen. Nur: warum traut sich niemand?

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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad