Mit MG kommt einer weitere chinesische Automarke nach Deutschland. Wir beleuchten die Vertriebsstrategien der Newcomer.
Mehr und mehr Automarken aus China drängen auf den europäischen und damit auch auf den deutschen Markt. Die Herangehensweisen sind dabei recht unterschiedlich.
Ohne großes Marketing-Geschrei verkauft der Importeur Indimo Automotive seit mehreren Jahren chinesische Autos in Deutschland und auch in weiteren Ländern der EU. „Vom ersten Kontakt bis zur Lieferung von Fahrzeugen vergingen teils mehrere Jahre“, berichtet Mitgründer Thomas Schelsky. Mittlerweile hat sich Indimo aber einen gewissen Status erarbeitet, zuletzt klopften mehrere große Konzerne aus dem Reich der Mitte beim Importeur an.
Indimo mit 170 Händlern
Aktuell vertreibt das Unternehmen SUV und leichte Nutzfahrzeuge der Marken BAIC und DFSK. Neu im Programm ist das Elektro-SUV Seres 3 . Über 170 Händler konnte die Indimo-Vetriebsmannschaft unter Vertrag nehmen. Das Investment ist überschaubar. Vorführwagen und ein Testgerät für die Werkstatt können im Paket abgenommen werden. Spezielle Ausstattung für Showroom oder Außenauftritt, wie es bei großen Herstellern üblich ist, erspart Indimo seinen Partnern.
Zum Händlernetz für BAIC und DFSK zählen große Autohäuser, die in den chinesischen Fahrzeugen ein zweites oder drittes Markenstandbein sehen sowie freie Werkstätten, die damit Neuwagenkunden ansprechen. Gut 1.500 Autos verkauft Indimo Automotive pro Jahr.
Neu ins Programm kommt im Jahr 2021 der FAW Bestune T77 Pro . Das kompakte Familienauto ist das erste Modell des Staatskonzerns und Volkswagen-Partners FAW (First Automotive Works), dass Indimo nach Deutschland holt. Unter der Motorhaube arbeitet ein aufgeladener Benziner, wie auch in den DFSK-Modellen Glory 580 und Fengon 5 sowie dem X55 von BAIC.
Übersicht: Chinesische Marken in Europa
Andere chinesische Autohersteller konzentrieren sich auf den Markteintritt mit Elektroautos. Nio, seit 2018 mit SUV wie dem ES8 in China auf dem Markt, unterhält nach wie vor ein Design- und Marketingbüro in München. Konkrete Marktpläne gibt es aber noch nicht, die Marke hat einen Auftritt für Ende 2021 in Aussicht gestellt.
Auch Byton ist im Raum München angesiedelt. Ob das deutsche Büro angesichts der finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich das Start-up befindet, weiterhin geöffnet bleibt, ist nicht sicher. Mit der Hilfe des iPhone-Produzenten Foxconn soll der Byton M-Byte im Jahr 2022 endlich in Produktion gehen.
Xpeng und BYD starten in Norwegen
Ein weiteres Start-up aus China ist Xpeng. Erst 2015 gegründet, hat Xpeng bereits mit dem G3 und der Limousine P7 bereits zwei Modelle auf den chinesischen Markt gebracht.
AUTONOTIZEN konnte ein Gespräch mit Dr. Brian Gu, Vice Chairman und President der Marke, führen. „Im Jahr 2020 haben wir bereits 27.000 Autos in China verkauft“, berichtet der Manager. Ein drittes Modell soll in Kürze vorgestellt werden und dann bereits mit aufwendiger Lidar-Technologie für autonome Fahrfunktionen ausgestattet sein.
Vorher wagte man mit dem G3 den Schritt nach Europa. 100 Autos wurden mit einem lokalen Partner in Norwegen verkauft und Ende 2020 in das skandinavische Land geliefert. Weitere europäische Märkte sind im Plan von Xpeng, zu möglichen Zeitpunkten und Vertriebsstrategien äußerte sich Dr. Biran Gu aber noch nicht.
Auch BYD ist in Norwegen bereits präsent, konzentriert sich aber wie Xpeng vorerst darauf, Erfahrungen im kleinen Elektroauto-Eldorado zu sammeln. Lynk & Co, wie Volvo und Polestar eine Marke von Geely, will Kunden als Club-Mitglieder für ein Auto-Abo gewinnen. In Amsterdam gibt es ersten und bislang einzigen Auftritt der Marke in einer europäischen Stadt. Aus dem gleichen Konzern kommt die Nutzfahrzeug- und Taximarke LEVC, die auf traditionelle Händlerbetriebe setzt.
Aiways bei Euronics
Aiways ist als Unternehmen erst im Jahr 2017 gegründet worden. Überraschend: Schon für den Genfer Salon im März 2020 war die Premiere der Europaversion des Elektro-SUV U5 geplant. Die Automesse fand aus bekannten Gründen nicht statt, Aiways machte trotzdem Testfahrten mit dem U5 möglich.
Noch vor Ende 2020 startete der Vertrieb in Deutschland. Hierbei geht Aiways einen eigenen Weg. Mit der Einzelhandelskette Euronics, ein Zusammenschluss von Elektrofachhändlern, wurde eine Kooperation vereinbart. In ausgesuchten Euronics-Filialen kann man den U5 Probefahren und bestellen, Vertragspartner ist aber stets der Hersteller direkt. Den Service übernimmt die Werkstattkette ATU. Knapp 300 U5 sind konnten im Direktvertrieb bislang verkauft werden. Genaue Zahlen liegen nicht vor, Aiways kommuniziert, eigenen Angaben zufolge, keine Vetriebsergebnisse.
Neuester Player unter den Chinesen in der EU ist MG. Die einst britische Marke gehört zum Staatskonzern SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation), die auch mit der Nutzfahrzeugmarke Maxus in Deutschland am Start sind. Nach der Pleite des britischen MG Rover Konzerns übernahm SAIC Marken und auch das Werk in Longbridge, baute dort sogar einige Zeit noch Autos. Während man aus Rover in China die Marke Roewe machte, bot man MG-Fahrzeuge weiterhin in Großbritannien an. Dort gibt es eine breite Modellpalette vom Kleinwagen über einen Kombi bis hin zu SUV.
MG startet in Deutschland
Jetzt startet der MG-Vertrieb in der Europäischen Union. Hier konzentriert sich die Marke auf elektrifizierte Autos. Erstes Modell ist der vollelektrische MG ZV EV. Mit 4,31 Metern Länge fährt er in einer Klasse mit Hyundai Kona Elektro und Kia e-Niro, wird mit Preisen ab 32.820 Euro aber deutlich günstiger. Ein größeres SUV mit Plug-in Hybrid-Antrieb, EHS genannt, folgt zeitversetzt.
Lange war unklar, welche Vertriebsstrategie MG in Deutschland einschlägt. Jetzt ist klar: Die Marke setzt, anders als Aiways und Co., auf den klassischen Autohandel.
Das erfuhr AUTONOTIZEN vom Münchner Händler Auto Hemmerle. An mehreren Standorten in der bayerischen Landeshauptstadt und dem Umland verkauft das Familienunternehmen die Marken Alfa Romeo, Fiat mit Abarth, Hyundai, Jeep und Kia. Jetzt kommt MG hinzu.
„Wir freuen uns, mit MG eine weitere vielversprechende Marke in unser Sortiment aufzunehmen. Mit den elektrifizierten Fahrzeugen haben wir die richtigen Angebote zur richtigen Zeit und können unseren Kundenstamm gezielt erweitern“, sagt Lisa Hemmerle, im Betrieb für die Marke MG verantwortlich. „„Schon bevor die ersten Vorführwagen eintreffen und damit auch die Möglichkeit von Probefahrten gegeben ist, konnten wir bereits den ersten MG ZS EV verkaufen.
Einen ausführlichen Testbericht zum MG ZS EV gibt es bei AUTONOTIZEN in Kürze zu lesen und natürlich auch als Video zu sehen.
Im Video: FAW Bestune T77 Pro